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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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und über dem Mann, auch wenn sie aus den Stöckelschuhen gestiegen ist und Helm und Perücke abgenommen hat, ist sie einen Kopf größer als er.
    Die Zwillinge merken, dass es der Situation an natürlicher Lockerheit gebricht.
    »Papa«, fragt das eine Mädchen, »ist er gefährlich?«
    Andrik schüttelt den Kopf. Aber seine Stimme hat er noch nicht wiedergefunden.
    Ich wende mich direkt an Pallas Athene. Es spart oft Zeit, die Zwischenstufen zu überspringen und gleich zur Direktion zu gehen.
    »Darf ich reinkommen?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Völlig in Ordnung«, sage ich. »Dann bin ich in zehn Minuten wieder hier und lade mich selbst ein. Mit sechs breitschultrigen Beamten und einem Durchsuchungsbefehl.«
    Sie starren mich an. Und treten zur Seite. Ich gehe hinein.
     
    Die Wohnung ist die große Schwester von der darüber. Das Layout ist das gleiche, aber hier ist mehr Platz, eine größere Terrasse, mindestens zwei Zimmer mehr. Pallas Athene führt mich in das eine und schließt die Tür.
    Es ist eine Art Wintergarten. Terrassenmöbel stehen herum, die Decke ist aus Glas und weinberankt, an den Ranken sitzen kleine grüne Trauben, ein kleines Granitbecken mit nacktem Engel und Wasserstrahl gibt es auch, und die Aussicht geht über den Hafen bis zum Holmen und zur Langelinie.
    »Wir haben die Wohnung hier drüber geliehen«, sage ich. »Ich bin eben nach Hause gekommen, irgendjemand hat meine Schwester Tilte entführt, es gibt entsprechende Spuren. Ich bin hundertprozentig sicher. Du weißt was über die Leute, deren Passwort ich benutzt habe. Ich möchte gern wissen, was.«
    »Ich brauche eine Zigarette«, sagt sie.
    Sie fischt eine Zigarette aus der Schachtel. Ihre Hand zittert nicht. Aber nur weil sie sich konzentriert.
    »Jedes Jahr sterben massenhaft junge Menschen als Opfer des passiven Rauchens«, sage ich.
    Sie entzündet die Zigarette, langsam und sorgsam, und bläst den Rauch in die andere Richtung.
    »Du hältst das aus«, sagt sie. »Ich hab dich beobachtet.Du würdest es aushalten, von einem Panzer überrollt zu werden. Für den Panzer wäre es schlimmer. Wie alt bist du?«
    »Einundzwanzig«, sage ich.
    »Dann würde man es besser verstehen. Aber du siehst aus wie vierzehn.«
    »Mein Herz ist jung.«
    »Stimmt es, dass du Andrik getreten hast?«
    »Er hat mich in den Arm gekniffen!«
    »Mir geht’s genauso«, sagt sie. »Manchmal muss man einfach dagegenhalten. Ich bin siebenmal wegen Gewalt gegen Männer verurteilt worden. Auf der Arbeit habe ich es im Griff. Aber im Straßenverkehr, da bricht es aus mir raus. Irgendein Düppelhirn drückt auf seine Hupe, bevor es gelb wird. Oder hängt mir fast auf dem Steiß. Dann drehe ich durch. Ich kann das nicht kontrollieren. Ich stürze aus dem Wagen. Reiße ihre Tür auf. Und hau ihnen was vor die Nuss. Mein Alter war Boxer, zu Hause wurden Backpfeifen verteilt. Das sitzt in einem drin. Aber die Kinder habe ich nie geschlagen.«
    Sie zieht an der Zigarette. Die Leute haben ein unterschiedliches Verhältnis zum Rauch, die meisten schalten den Autopiloten an, wenn sie rauchen. Pallas Athene nicht, sie genießt jeden Zug mit dem ganzen Körper.
    »Weißt du, was Abakosh ist?«
    »Ein Bordell«, sage ich.
    »Aber der Spitzenklasse. Andrik und ich betreiben noch fünf andere. Aber Abakosh ist das Flaggschiff. Es basiert auf den griechischen Mysterien. Die Kunden erhalten immer eine kurze Einführung in Meditation und innere Versenkung, das ist Teil des Pakets. Und dann akzeptieren wir jede Religion. Wir haben eine Kostümsammlung wie einTheaterfundus. Mönche, Nonnen, Huris, Engel, Dakinis, Jungfrau Maria, Kwannon Bosato, Bischofshüte, Lama-Mützen. Für jeden Bedarf. Ist ein überwältigender Erfolg. Und die Lage ist Gold wert. Gleich beim Parlament. Holmens Kirche. Die Zentralen der Banken, die Ministerien auf dem Schlossholmen, die Anwaltskanzleien in der Innenstadt. Die Zeitungsredaktionen. Wir verdienen ein Vermögen. Und machen die Menschen froh, wir machen sie glücklich. Andrik übernimmt die Frauen. Ein Drittel der Kunden sind Frauen.«
    Sie drückt die Zigarette aus, langsam, in der Bewegung erkenne ich plötzlich den Zorn.
    »Die Kehrseite ist, dass man halt manchmal etwas hitzig wird. Ich liebe Andrik. Aber drei Monate im Jahr schicke ich ihn in unser Ferienhaus oben in Tisvilde. Damit ich mir außerhalb der Arbeitszeit nicht auch noch einen Mann ansehen muss. Er kommt dann an jedem zweiten Wochenende in die Stadt und besucht die

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