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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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richtig stolz auf das, womit du da zugange bist.‹ Ich frage sie nach ein paar mehr Details, es ist einfacher zu spielen, wenn man die Rolle sozusagen mit ein wenig Inhalt füllen kann. Aber da machen sie total dicht, ich soll ihnen bloß den Kopf tätscheln und sagen, Mama sei stolz wie ein Pfau und wünsche ihnen Glück und Erfolg. Danach ist Schluss, und als sie gehen, sind sie vollständig in sich gekehrt, da kommt weder ein Guten Tag noch ein Auf Wiedersehen, und dann merke ich etwas. Ich merke, dass sie etwas Großes und Ungeheuerliches vorhaben. Dafür mussten sie Mut fassen, und dazu haben sie mich und Andrik gewissermaßen benutzt. Ich schulde dir also Hilfe. Das ist das erste Mal in fünfzehn Jahren, dass ich von einem Kunden erzählt habe. Das tut man nie, das ist die wichtigste Regel der Branche. Jetzt hab ich’s getan. Zum ersten Mal. Willst du die Hilfe annehmen?«
    »Mit Kusshand.«
    Sie sieht mich abwartend an.
    »Können wir die Zwillinge für eine Stunde Andrik überlassen?«, frage ich.
    Sie drückt das Kreuz durch.
    »Er ist ein guter Vater!«
    »Es gibt da nämlich jemanden, den ich dir vorstellen möchte«, sage ich. »Dem du die Geschichte noch einmal erzählen sollst.«

 
    Man hätte sich ein diskreteres Fahrzeug wünschen können. Im roten Jaguar fahren Pallas Athene und ich nun von der Toldbodgade zum Kongens Nytorv.
    Wir haben es bis zum Platz geschafft, ohne dass Pallas Athene einen Grund fand, irgendwelche Autofahrer niederzustrecken, dafür war ich dankbar. Jetzt bitte ich sie, so nah wie möglich hinter dem roten Doppeldeckerbus zu parken, was sie in der ihr eigenen Art tut. Sie hält nämlich auf einem Behindertenparkplatz, und aus dem Handschuhfach holt sie ein blaues Schildchen, auf dem ein Rollstuhl abgebildet ist. Sie klemmt es an die Windschutzscheibe mit den Worten, unter ihren Stammkunden seien glücklicherweise viele Oberärzte.
    Ich leihe mir ihr Handy und bitte sie, einmal zu hupen, wenn ich ihr ein Zeichen gebe. Dann taste ich Albert Wiinglads Nummer. Ich empfinde Ernst und Ehrerbietung. Zum ersten Mal werde ich mit einem der Menschen in Kontakt treten, die vermutlich hinter einer Sache stecken, die Tilte und Basker und mich in den letzten achtundvierzig Stunden grauhaarig und zehn Jahre älter werden ließ.
    »Ja?«
    Wenn du wie ich eine Mutter hast – oder eine Tante oder Kusine –, die in Schubert verliebt ist, hast du vielleicht schon mal Fischer-Dieskau die Goethe-Lieder singen hören. Falls ja, hast du eine Vorstellung von der Stimme im Hörer.
    Es ist eine Stimme, die Dinge weiß, die zu verraten sie nicht gewillt ist. Vielleicht hat der Mann, dem sie gehört, in einer Sippenfehde eines Nachts bei Mondschein zwölf Menschen beseitigt, vielleicht ein Pharaonengrab geplündert, vielleicht hatte er drei Ministerinnen gleichzeitig als Mätressen, und keine wusste von den beiden anderen, und nun ist Schluss.
    Wie auch immer, eins ist sicher: Es ist die Stimme eines Elefantenhüters. Und unter dem polierten Tonfall kann man den Elefanten schnaufen hören.
    »Sagt Ihnen der Name Finø etwas?«, frage ich.
    Erst ist er still.
    »Fahren Sie fort«, sagt er dann.
    »Ich hoffe, er sagt Ihnen etwas. Von dieser Insel kommen nämlich ein paar arme vernachlässigte Kinder, die viel verloren haben. Und die meinen, Sie sollten ihnen behilflich sein, ihnen etwas davon zurückzugeben.«
    »Was zum Teufel«, sagt er.
    Ich gebe Pallas Athene ein Zeichen, sie drückt die Hupe bis zum Anschlag durch. Es klingt wie ein brüllender Jaguar. Schwach, aber deutlich, höre ich die Hupe auch im Telefon.
    Ich lege auf.
    »Siehst du die Bank da«, sage ich. »Neben dem vorderen Teil des Busses. Setz dich auf die Bank, steck dir eine an, mach’s dir bequem und schau, wie die Dinge sich entwickeln.«
     
    Ich steige aus und renne über den Kongens Nytorv. Am Eingang des d’Angleterre vermindere ich das Tempo. Aber nur so viel, dass ich keine Aufmerksamkeit errege. Ich eile durch die Empfangshalle und luge ins Restaurant.
    Gleich neben der Tür haben die Kuchen ihren eigenen gläsernen Turm, ein Kuchen pro Etage. Ich lasse meinen Blick schweifen, die Kellner kehren mir den Rücken zu. Dann angle ich mir eine Sahnetorte.
    Die Torte hat nur eine Schicht, aber die ist fünfzehn Zentimeter dick, Schlagsahne mit zerstoßenem Nougat und Himbeeren, und kein Zweifel, sie ruht sicher auf einem unvergesslichen und zarten Boden.
    Zu Hause im Pfarrhof sind wir mit dem Schneebesen aufgewachsen. Falls du aus

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