Die Kinder der Elefantenhüter
Kontrolle. Die Sprengladung ist schon abmontiert. Um das Schloss ist ein Eisenring gelegt worden. Wir können beruhigt sein.«
»Er könnte sich zurückgezogen haben, um zu bereuen«, sagt Ibrahim.
Ich muss an den Berg der hundertachtundzwanzig toten Ratten denken. Der Berg deutet darauf hin, dass Henrik eine Aufgabe erst dann abhakt, wenn sie wirklich abgeschlossen ist.
»Der Sprengstoff, den ihr aus der Kiste geholt habt, wo ist der geblieben?«, frage ich.
Sie starren mich an. Ich schaue Hans an. Und jetzt haben wir auch Tiltes Aufmerksamkeit.
»Wir müssen dahin«, sagt Hans. »Nach Filthøj. Die Konferenz fängt in anderthalb Stunden an. Wir können in einer Stunde da sein. Mit dem Boot hier.«
»Um es zu steuern, brauchen wir etwas Hilfe«, sage ich.
Wir sehen die drei Schweber an, sie schütteln den Kopf.
»Wir haben Angst vor Henrik«, sagt Ibrahim.
»Wir sind in einem tiefen Prozess«, sagt die Frau. »Der Selbstprüfung.«
»Was wir jetzt brauchen«, sagt der Mann mit der Gehirnerschütterung, »ist eine Verschnaufpause.«
Jetzt lehnt sich Pallas Athene über den Tisch.
»Haben wir’s gestern nicht gemütlich gehabt«, sagt sie.
Es geschieht oft, dass man Menschen nicht erkennt, wenn man sie in einer anderen Umgebung trifft. Die dreiSchweber haben Athene in String und High Heels und roter Perücke vor einem Hintergrund aus Marmor und Havannazigarren erlebt. Sie erkennen sie erst jetzt.
»In mir«, sagt Athene, »sind viele dunkle Gefühle, die ich im Alltag nicht ausleben darf, ohne lebenslänglich zu kriegen. Aber jetzt wittere ich eine Chance, mich an euch schadlos zu halten. Und ohne Strafe davonzukommen.«
Sie schweigen. Dann wischt sich Ibrahim die Tränen ab.
»Vom ersten Moment an«, sagt er, »am Kai, und obwohl ich die Hindernisse bemerkt habe, die erst noch aus dem Weg geräumt werden mussten, war mir klar, dass wir ein Team sind. Der Hund inklusive.«
Schloss Filthøj zu beschreiben ist nicht nötig, jeder kennt es, auch wenn es vielen vielleicht gar nicht klar ist. Es gehört nämlich zu jenen Bildern, mit denen man Dänemark im Ausland verkauft: Bacon, Bier, Niels Bohr, ein sonniges Finø im blauen Meer und eben Schloss Filthøj.
Es liegt auf einer kleinen grünen Insel in einem blauen See, und von schräg oben aufgenommen sieht es Disneyland nicht unähnlich, es hat Türme und Kuppeln und hübsche Muster aus Rosenbeeten und Buchenhecken, die eine ganze Fußballmannschaft von Gärtnern erfordern dürften.
Aber vom Öresund aus, von dem wir jetzt kommen, ähnelt es eher einer Kreuzung aus Raubritterburg und mittelalterlichem Kloster, denn von See aus sieht man vor allem die hohen Mauern und dann das Bootshaus am Gestade.
Wenn man sich unter einem Bootshaus eine Bretterhütte am Strand vorstellt, geht man in diesem Falle fehl. Das Gebäude vor uns ähnelt einem Kurhotel, teilweise auf Pfählen gebaut und mit einer imposanten, gewölbten Toreinfahrt zum Meer hin, durch die wir nun Einzug halten.
Wir kommen in einen großen Raum, in dem es außer den Booten nur noch einen großen Lehnstuhl gibt, in ihm sitzt Rickardt Graf Tre Løver mit seiner Erzlaute und ist dabei, sich warm zu spielen.
Es gibt Menschen, die würden ein wenig daran arbeiten, auf diese Weise Gäste anzulocken, nicht so der Graf, er steht auf, als hätte er nur auf uns gewartet.
»Uns«, sagt er, »die wir von so tiefer Seelenverbundenheit sind, führt der Kosmos schnell wieder zusammen.«
Wir gehen an Land, für die üblichen Höflichkeiten bleibt keine Zeit.
»Rickardt«, sagt Tilte, »wo mündet der Tunnel, von dem du mir erzählt hast?«
Worauf Rickardt jetzt zeigt, ist eigentlich nicht das, was man sich gewöhnlich unter der Mündung eines Geheimtunnels vorstellt. Es ist eine Glastür, die offen steht, dahinter sieht man den Tunnel, der aber eher wie der Flur eines Luxushotels aussieht, mit Lampen und sanften Farben an den Wänden.
»Ist heute schon jemand reingegangen?«, fragt Tilte.
»Keiner«, sagt Rickardt. »Abgesehen von Henrik. Ihr wisst schon, der Schwarze Henrik. Er kam gerade vorbei. Und hatte irgendwas wegen der Sicherheit zu klären, stellte sich heraus. War aber nur kurz drin und hat was nachgeguckt.«
Wir fahren in Rickardts offenem Bentley zum Haupteingang, er sitzt am Steuer, und während der Fahrt kommt mir aus heiterem Himmel die Frage in den Kopf, ob Rickardt sich aus der Zeit, als sie miteinander spielten, an den Familiennamen des Schwarzen Henrik erinnere, und
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