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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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Hand um das Gesicht, hebt ihn in die Höhe und knallt ihn an die Wand.
    Es ist eine Metallwand. Gitte Grisanthemum hat einen Metallgong von Bali importiert, meine Mutter konstruierte das Stativ dafür, er ruft die Bewohner des Aschrams zum Yoga und zur Meditation und hat einen tiefen, schönen Ton, der lange in der Luft hängen bleibt.
    Ungefähr so einen Ton gibt jetzt die Wand des Speichers von sich, der Blick des Mannes wird fern, seine Beine geben nach, er rutscht auf den Boden und weilt vorübergehend nicht unter den Anwesenden.
    Es braucht Sekunden, um das Auto, den kleinen Büroraum,die Toilette und die Küche zu untersuchen. Das Haus ist leer. Verzweiflung macht sich breit. Wir müssen warten, bis der Mann auf dem Boden das Bewusstsein wiedererlangt hat, damit wir ihn nach Tilte ausfragen können, und selbst dann ist es zweifelhaft, ob er etwas sagen wird. Mir kommt er trotz seines tränennassen Gesichts wie ein »verstockter Leugner« vor, wie die Polizei solche Kandidaten nennt.
    Ich schiebe die Lamellen der Jalousien auseinander und schaue auf die Mole. Wo Landratten das süße Hafenleben genießen, ohne zu wissen, wie hart das wirkliche Leben ist.
    Direkt vor mir liegt der orangefarbene Schlepper. Er scheint die Anker lichten zu wollen, ein Mann im Segelanzug in derselben Farbe wie das Schiff hat die letzte Trosse in der Hand, im Ruderhaus steht eine Frau am Steuerruder. Sie scheinen auf etwas zu warten.
    Und dann sehe ich etwas, was mich fast vom Stuhl haut. Sie weinen beide. Nicht heftig, es ist ein stilles Weinen.
    Es ist nicht unbekannt, dass Seeleute weinen, wenn sie in See stechen und der Geliebten adieu sagen müssen. Dass aber zwei Angestellte der Hafenbehörde weinen, weil sie mit dem Schlepper Tuggi kurz durch den Hafen tuckern sollen, ist schon verblüffender. Ich drehe mich um. Der Mann auf dem Boden trägt auch einen orangefarbenen Segelanzug. Möglicherweise ist er von der Hafenbehörde. Möglicherweise auch nicht.
    »Das Boot«, sage ich. »Tilte muss an Bord sein!«
    Das Gebäude hat ein Tor zum Kai, es ist nicht verschlossen, Hans streichelt es zart mit den Fingerspitzen, es fliegt mit Getöse auf, wir stehen im Sonnenschein.
    Klar, dass drei wehrlose junge Menschen nicht zum Angriffauf erwachsene Männer blasen sollten. Aber wir haben Angst um Tilte. Und Hans hat keine Kontrolle mehr über sich. Und wenn mein Gefühl mich nicht täuscht, befinde ich mich selber in einer Bewegung, die erst dann endet, wenn ich die Torlinie überschritten habe, lebendig oder tot. Und sogar Jakob Aquinas Bordurio Madsen hat jetzt einen Schwung, den ich seit seiner ersten Berufung nicht mehr gesehen habe, aber ich wette zwanzig zu eins, dass der Grund eine true love ist.
    Trotzdem scheint alles schiefzulaufen.
    Als der Mann mit der Trosse uns sieht, nimmt er ein Taschentuch hoch, trocknet sich die Tränen, dann macht er noch eine kleine Bewegung und hat eine Waffe in der Hand.
    Man kann nicht anders, als von Bewunderung erfüllt zu sein. Er öffnet keinen Blaumann und stößt keine Drohung aus und fummelt nach keinem Schulterholster, um dann ein flachbrüstiges Pistölchen ans Tageslicht zu befördern. Man sieht kaum, dass er sich bewegt, und schon hält er etwas in der Hand, das zwar einen kurzen Lauf hat, aber dafür ein langes Magazin und eine ergonomisch geformte Schulterstütze.
    Und dann seine Miene. Ich könnte mir vorstellen, wenn ich im Freihafen zur Hauptverkehrszeit und am helllichten Tage mit einer Maschinenpistole herumfuchteln müsste, würde ich mich verlegen umschauen und die Lage wirklich sorgsam prüfen. Der Mann tut das nicht, er wirft einen Blick auf die anderen Boote, dann ist seine Entscheidung gefallen.
    Leider erfahren wir nie, wie er sich entschied, denn in diesem Augenblick wird vom Schlepper aus nach ihm gerufen. Es ist Tilte, die ruft.
    Der Ruf veranlasst ihn, sich umdrehen zu wollen. Doch er vollführt die Drehung nie. Denn jetzt nimmt er Basker wahr.
    Basker muss aus dem Auto gesprungen sein, er hat den Mann erreicht, und alles geht sehr schnell.
    Es gehört zum Allgemeinwissen, dass Foxterrier kinderliebe Hunde sind. Die meisten wissen auch, dass es intelligente Tiere sind. Weniger bekannt ist, dass ihre ursprünglichen Instinkte nicht weggezüchtet sind. Obwohl Basker einem Kuscheltier ähnelt, ist er rein genetisch ein Wolf von acht Kilo. Was in diesem Moment überdeutlich ist. Ich kann seine Augen sehen, sie sind gelb, diese Farbe nehmen sie selten an, aber wenn, empfehle

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