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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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den Ball so sauber anschneide, dass er sich wie eine Billardkugel um die Mauer des Gerätschaftsgebäudes dreht und dann steil abwärts auf das große Panoramafenster des Leuchtturmwärterhauses zusteuert, hinter dem Alexander Finkeblod und Baronesse ihren Nachmittagstee genießen.
    Von da an, obwohl der Schadensersatz längst bezahlt ist und ein Entschuldigungsbrief geschrieben wurde, in dem ich die Welpen gezeichnet habe, die Baronesse im glücklichsten Fall mit Basker kriegen könnte, um zu verdeutlichen, was ich an jenem Tag gemeint hatte, selbst nach alledem ist die Stimmung zwischen uns nicht die beste. Das ist einer der Gründe für unsere Unruhe, als wir Alexander und Baronesse auf dem Achterdeck entdecken.
     
    Bevor Tilte und ich unter Deck gehen, will ich noch eine letzte Bemerkung machen. Auch auf die Gefahr hin, dass es verrückt klingt, möchte ich gern sagen, dass ich meinem Vater und meiner Mutter in diesem Moment wärmere Gefühle entgegenbringe denn je zuvor. Vielleicht weil sie tumbe Anhängsel ihrer inneren Elefanten sind und vielleicht weil es in Wirklichkeit einfacher ist, Menschen gern zu haben, wenn der Kleister und die Rettungsleine zwischen dir und ihnen ein klein wenig dünner geworden ist.
     
    Wir betreten Leonoras Kajüte, sie dreht sich zu uns um, und zweierlei ist sicher: Der Weißwein ist nahezu geleert, und wir stehen vor einer Frau, die Grund hat, zufrieden mit sich zu sein.
    »Im Buddhismus sprechen wir von fünf Geistesgiften«, sagt Leonora. »Es sind die fünf grundlegenden schädlichen psychologischen Zustände. Einer davon ist der Stolz. Deshalb hört ihr mich jetzt nicht sagen, ich sei stolz. Aber ich bin drin.«
     
    Wir ziehen uns Stühle heran und setzen uns neben sie.
    »Es gibt sieben Dateien«, sagt sie, »Ton- und Bilddateien, eine für jeden Wochentag, datiert vom 7. bis 14. April.«
    Es rauscht in den Lautsprechern des PCs, ein Bildfenster erscheint auf dem Schirm, ein grauschwarzes Viereck mit einem schwarzen Innenkreis.
    Leonoras Finger spielen auf der Tastatur, die Kontraste ändern sich, wir ahnen einen Raum. Aber wir ahnen ihn nur, die Kamera muss ziemlich weit oben sitzen und eine konvexe Linse haben, man sieht den ganzen Raum halb von oben und gekrümmt.
    »Eine Überwachungskamera«, sage ich.
    Mehr brauche ich nicht zu sagen, die Frauen vertrauen mir. In diesen Zeiten, in denen immer mehr Privathäuser mit Alarmsystemen ausgestattet sind, kann man nicht im Ruf stehen, Finøs dummdreistester Obstdieb zu sein, und gleichzeitig nichts über die Funktion von Überwachungskameras wissen.
    Der Raum auf dem Bild ist leer, abgesehen von einem dunklen kreisrunden Teppich an der einen Stirnseite. An den Wänden hängt kein einziges Bild, aber es muss ein großer Raum sein, auf beiden Seiten sind sechs Fenster.
    »Können wir blättern?«, fragt Tilte.
    Leonoras Finger tanzen, wir springen zwölf Stunden vor, jetzt ist das Bild nur eine graue Fläche.
    »23.00 Uhr«, sage ich, »das Tageslicht ist weg, versuch mal, die Zeit zu raffen.«
    Leonoras Finger tanzen.
    »Die Geschwindigkeit ist zweihundertmal schneller«, sagt sie. »Eine Stunde dauert weniger als siebzehn Sekunden.«
    Wir starren aufs Bild. Das Licht nimmt zu, der Raum wird sichtbar, er ist plötzlich voller Menschen, sie sind weg, sie sind wieder da, Leonora hält das Bild an.
    Es sind Männer in weißer Arbeitskleidung, es könnten Anstreicher sein, es sieht aus, als wären sie dabei, Möbel zu bauen. Einer kehrt der Kamera den Rücken zu. Tilte zeigt auf ihn.
    »Können wir näher ranzoomen?«
    Leonora waltet ihres Amtes, der Rücken des Mannes füllt alles aus. Auf sein weißes Arbeitshemd ist ein großes »V« gedruckt, mit so etwas wie einem kleinen Notenschlüssel …
    Leonora lässt den Film weiterlaufen, die weißen Männer hüpfen wie Flöhe, das Licht wird schwächer, es ist Nacht, Leonora wechselt die Datei, das Licht geht wieder an, die Handwerker springen wie Lichtblitze, Tilte macht ein Zeichen. Leonora hält das Bild an.
    Der schwarze Teppich ist von etwas wie einem Spiegel bedeckt.
    »Das ist eine Art runder Tisch«, sagt Leonora.
    »Das ist eine Ausstellungsvitrine«, sagt Tilte. »Sie soll auf dem Teppich stehen.«
    »Das ist kein Teppich«, sage ich. »Das ist ein Loch im Boden.«
    Die beiden Frauen starren mich an. Leonoras Finger tanzen einen Jitterbug, wir sausen achtzehn Stunden zurück,jetzt sehen wir es alle, das ist kein Teppich, sondern ein rundes Loch im Boden. Es ist sogar durch

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