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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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eine Leine auf dünnen Ständern markiert, die wir vorher nur nicht gesehen haben.
    »Spul mal vor«, sagt Tilte.
    Leonora spult vor, eine neue Gruppe von Handwerkern ist mit etwas beschäftigt, das an große Abwasserrohre erinnert.
    »Das sieht aus wie …«, sagt Leonora. »Das sieht aus wie Fahrstuhlschächte.«
    Darauf antworten Tilte und ich nicht. Wir stehen auf.
    »Was geht hier vor sich«, sagt Leonora, »woher stammen diese Aufnahmen?«
    »Ist es nicht so im Buddhismus«, sagt Tilte, »dass man ein neutrales Gleichgewicht anstrebt, und egal, was dann auftaucht, man lässt es mit einem Lächeln auf den Lippen fahren?«
    »Im Finø-Buddhismus«, sagt Leonora, »ist reichlich Energie übrig, um sich Sorgen um seine wahnsinnigen Freunde zu machen. Und ihre überspannten Kinder.«
    Das sind neue Töne von Leonora, die sonst immer mit einer gewissen Ehrerbietung von uns gesprochen hat. Ich weiß, dass Tilte in diesem Moment so denkt wie ich. Es besteht immer das Risiko, dass Menschen, denen man zu einem besseren Selbstgefühl und zu einer besseren Ökonomie verholfen hat, sich eines Tages plötzlich erheben und patzig werden.
    »Leonora«, sage ich, »je weniger du weißt, desto weniger Lügen musst du dem Landgericht erzählen.«
    Wir machen die Tür hinter uns zu. Als letztes sehe ich nur noch Leonoras vorwurfsvollen Blick in einem blasser werdenden Gesicht.

 
    Zurück in unserer Kabine sind wir klüger als zuvor, aber auch weniger zuversichtlich im Hinblick auf einen glücklichen und sorglosen Abschluss unserer Kindheit.
    »Es gibt bestimmt auch Vitrinen in den anderen Räumen«, sagt Tilte. »Aber die Perlen werden in der runden Vitrine sein. Das war das gleiche, als wir mit der Schule in London waren und die Kronjuwelen im Tower gesehen haben, und genauso war’s auch im Schloss Rosenborg in Kopenhagen. Die wertvollsten Kleinodien liegen alle an einem Ort, und wenn Alarm ausgelöst wird, versinkt die ganze Vitrine im Boden.«
    Wir denken nach. Und ich glaube nicht, ich werde unserer natürlichen Bescheidenheit untreu, wenn ich hier sage: Wenn Tilte, Basker und ich die Stirn gleichzeitig in Falten legen, drehen wir wirklich jeden Stein um.
    »Was wollten sie mit den Aufnahmen?«, sagt Tilte. »Und wo haben sie die her?«
    Die zweite Frage übergehe ich zunächst. Um der ersten meine ganze Liebe und Fürsorge zu schenken.
    »Sie wollten sich versichern. Dagegen, dass jemand sie entlarvt.«
    »Das heißt«, sagt Tilte, »in ihrem Plan, egal worauf er hinausläuft, gab es eine Installation, die gesehen werden konnte, von Handwerkern, Sicherheitskräften oder anderen.«
    »Sie müssen drüben gewesen sein«, sage ich. »Mutterwar weg, über Nacht, letzten Dienstag, weißt du noch, sie haben Bermuda gebeten, Blumen in die Kirche zu stellen.«
    Ich erinnere mich an etwas, ganz zart, und ziehe den zusammengefalteten Zettel mit den Bleistiftnotizen aus der Tasche. Ich falte ihn auseinander und drehe ihn um. Der Kopf ist blau bedruckt: Voicesecurity . Das V ist hervorgehoben. Und in dem V schwebt ein kleiner Notenschlüssel.
    Tilte und Basker und ich, wir sehen uns an.
    »Sie kann für sie gearbeitet haben«, sagt Tilte langsam. »Für Voicesecurity . So muss es gewesen sein. Sie war ihre Beraterin. Ihre Sicherheitsberaterin.«
    Wir kennen keine Firma Voicesecurity . Aber wir denken an sie mit Mitgefühl. Sie hat es ohne Zweifel besonders gut machen wollen. Und hat dann einen Wolf in den Hühnerstall eingeladen. Oder richtiger: einen Elefanten.
     
    Wir blättern langsam die Zeitungsausschnitte durch. Und man darf ruhig sagen: mit geschärfter Aufmerksamkeit.
    Der letzte Ausschnitt ist von vorvorgestern, dem Tag, an dem Mutter und Vater verschwanden. Er zeigt eine Art Voreröffnung der Ausstellung, Journalisten und ausgewählte Gäste dürfen sich die Kostbarkeiten schon ansehen. Und sie nehmen die Einladung ernst, alle haben sich in Schale geworfen, es sieht aus wie auf dem Schlussball von Ifigenia Bruhns Tanzinstitut.
    Die Ausstellungsvitrinen scheinen einen Kilometer lang zu sein, hinter dem Glas glitzert und funkelt es von Gold und Juwelen, Einzelheiten sind nur schwer zu erkennen, aber so viel ist sicher, wenn man auch nur in eine Vitrine greifen und eine langfristige Vereinbarung mit seinemGewissen abschließen könnte, wären sämtliche Zahlungsschwierigkeiten gelöst und der Cashflow für die nächsten drei- bis vierhundert Jahre gesichert.
    Eins der Fotos zeigt den Raum, aus dem wir gerade die

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