Die Kinder der Elefantenhüter
Sieben-Tage-Webcamaufnahmen überflogen haben, auf dem Foto ist die Vitrine gefüllt, man kann nicht erkennen womit, jedenfalls reflektiert es scharf und verschwommen zugleich wie eine Neonröhre unter Wasser. Um das Licht stehen Menschen herum. Wegen der Reflexe der Edelsteine sind ihre Gesichter überbelichtet und die Züge verwischt, außer bei einem Gesicht. Es ist nämlich dunkler als das der andern. Ein dunkles, nachdenkliches Gesicht unter einem grünen Turban.
»Ich glaub, mich laust der Affe«, sagt Tilte, »das ist doch diese Aschanti vom Blågårds Plads!«
Tatsächlich, es ist Aschanti, und hinter ihr stehen zwei Männer. Sie sind im Anzug, aber ihre Gesichter kaum zu erkennen. Sie sind gerade so deutlich, dass man die beiden Leibwächter mit dem BMW und dem exquisiten Spurt erkennen kann.
Wir sinken in die Sofas und Sessel zurück, wir haben die meisten Mosaiksteinchen, aber das wichtigste fehlt noch. Basker knurrt leise.
»Basker möchte etwas sagen«, meint Tilte. »Er will uns bedeuten, dass man über Mutter und Vater vieles sagen kann. Sie haben ihre Schwächen, ihre wunden Punkte und ihre Aussetzer. Aber sie haben auch ihre Schlitzohrigkeit, ihre Bauernschläue. Es sieht ihnen nicht ähnlich, einen Plan auszuhecken, bei dem sie bereit sind, alles auf eine Karte zu setzen. Ihre Freiheit, ihre Kinder, ihren Hund, ihren Beruf und guten Namen und Ruf. Und eine unübersehbareSpur in einem Bankschließfach zu hinterlassen, das sie vergessen zu bezahlen.«
»Und einfach so abzureisen«, ergänze ich, »Hals über Kopf.«
Wir denken alle drei nach. Der Raum vibriert.
»Es war eine plötzliche Eingebung«, sagt Tilte.
»Sie haben etwas entdeckt«, sage ich. »Das sie hinterrücks überrascht hat.«
Jetzt spielen Tilte und ich zusammen.
»Es ist etwas Großes gewesen«, sagt Tilte.
Ich wiederhole es langsam, teils weil Basker trotz allem nur ein Hund ist und manchmal nicht ganz so schnell kapiert wie wir, teils weil es so sonderbar ist, dass man es noch einmal sagen muss.
»Mutter und Vater planen, die Ausstellung auszurauben, die die Große Synode begleitet. Es ist alles vorbereitet. Und dann entdecken sie etwas. Und zwar in den letzten paar Tagen. Etwas, das sie nötigt, sofort aufzubrechen. Und das so wichtig ist, dass es ihnen egal ist oder dass sie’s vergessen, ihre Spuren zu verwischen.«
Nach all dem, was Tilte und ich in der letzten Stunde vollbracht haben, hätten wir eine Pause verdient, könnten manche meinen. Der Meinung sind wir auch. Aber wenn etwas gefährlich ist, dann ist es, sich in der Pause zwischen einer knochenharten ersten Halbzeit und einer sicher noch härteren zweiten in weiche Sessel fallen zu lassen, weil dann nämlich mit einem Mal der Druck weg ist und man keine Reserven mehr hat, und das wissen Tilte und Basker und ich ganz genau.
»Wir müssen zwei Sachen regeln«, sagt Tilte. »Wir müssen Vibe wieder in den Sarg kriegen. Und wir müssen mit Rickardt sprechen.«
Im selben Augenblick schnellen wir von unseren Sitzen hoch, überzeugt, dem Wunder namens Bilokation gegenüberzustehen, das aus allen Religionen bekannt ist und bedeutet, dass gewisse hoch entwickelte Individuen angeblich aus dem Nichts in Erscheinung treten und andere an mehreren Orten gleichzeitig mit ihrer Gesellschaft erfreuen können. Denn neben uns hören wir eine Stimme, die mit Sicherheit Kalle Kloaks Frau gehört, Bullimilla Madsen.
»Meine Herrschaften«, sagt sie, »es ist mir eine Freude, Ihnen mitteilen zu können, dass im hintersten Salon etwas für den leeren Magen und den trockenen Hals bereitsteht.«
Bei allem Respekt für Bullimilla, aber sie ist nicht die erste, der man die Fähigkeit zur Bilokation zutrauen würde. Und als wir uns umsehen, wird uns auch klar, dassdie Stimme aus den Lautsprechern kommt, die auf der Weißen Dame eine Qualität haben, dass man annimmt, der Sprecher lege einem gerade seine Lippen ans Ohr.
Tilte und Basker und ich sind auf den Beinen. Nicht nur weil der Magen leer und der Hals trocken ist, sondern auch weil wir vorhin an dem hintersten Salon vorbeigekommen sind, in dem zu dem Zeitpunkt keine Menschen waren und der eine Küche hat, in deren Kühlraum wir Vibe aus Ribe deponiert haben.
In Sekundenschnelle sind wir da, und erst atmen wir erleichtert auf. Wir sind die ersten, abgesehen von Bullimilla und einer Serviererin. Sie wollen offenbar eine Wagenladung mit belegten Broten servieren, das lässt uns hoffen, dass die Küche frei ist, so
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