Die Kinder der Elefantenhüter
für solche Gelegenheiten eine Bazooka auf der Hutablage verwahrt.
Wir erkennen einen ehemaligen Speicher, der nach einer freundlichen Zuwendung von zweihundert Millionen einem Ort gleicht, den man nur von außen und von weitem betrachtet, wenn man nicht gerade sechs Richtige mit Superzahl getippt hat. Das Auto rollt in eine Tiefgarage und hält an einem Gittertor mit einem Kodeschloss, Tilte gibt einen Kode in Katinkas Handy ein, die Tür gleitet auf, und wir befinden uns in einem Keller mit sehr viel Klasse: Wenn man ein bisschen gewitzt ist und ein paar Trennwände hochziehen und ein Bett hineinstellen würde, könnte man die Parkfelder problemlos als Hotelzimmer vermieten. Wir parken das Auto und nehmen einen Aufzug, der aus lauter Spiegeln und Edelholz besteht, er schießt nach oben wie ein Projektil und bremst so weich wie Möwenflaum, dann treten wir auf einen Treppenabsatz mit Orchideen in Marmorbecken, aus einem der Becken zieht Tilte einen Schlüssel, und wir betreten das kleine Zweizimmerapartment, das sie sich von einer Bekannten geliehen hat.
Schon richtig, es sind zwei Zimmer. Aber Tilte hat nicht gesagt, dass jedes Zimmer hundert Quadratmeter misst. Falls man sich trotzdem in seinen Bewegungen eingeschränktfühlen sollte, gibt es noch eine Terrasse in der ganzen Länge des Apartments, mit Aussicht auf den Hafen und das blaue Nass.
Die Möbel in beiden Räumen sehen aus, als wären sie vom Designer persönlich signiert worden, und zwar gestern, denn alles ist nagelneu, es war noch keine Zeit, Bilder an die Wände zu hängen.
Erst will ich Tilte fragen, von wem sie den Palast hier geborgt hat, aber dann senkt sich ein Gedanke auf mich wie eine schwarze Wolkendecke: Vielleicht hat sie die Suite von einem Bewunderer, und ein Bewunderer mit einem solchen Geschmack, mit dem könnte es wirklich ernst sein. Das würde bedeuten, dass Tilte in einem Jahr verheiratet und verlobt und von zu Hause weggezogen ist. Dann fehlte nur noch, dass Basker ein süßes Weibchen findet und mit ihr abschwirrt, dann wär ich ganz allein, Mutter und Vater sind wie vom Erdboden verschluckt, meine Geschwister vermehren sich, zurück in größter Einsamkeit bleibt Peter Finø.
Wir haben uns in den Designermöbeln eng zusammengesetzt. Jetzt erhebt sich Aschanti still und geht ans andere Ende des Apartments, wo der Raum in eine offene Küche übergeht. Obwohl sie nichts sagt, fühle ich, warum sie geht, sie will uns Geschwister allein lassen, und darin liegt eine Diskretion, die uns nötigt, sie allmählich gern zu haben, selbst wenn sie eventuell gekommen ist, um uns den großen Bruder zu entführen.
Trotzdem wird mir das Herz schwer. Keiner von uns sagt etwas, und das Gefühl wird stärker, es Trauer zu nennen ist nicht übertrieben, und ihr Grund tritt immer deutlicher hervor. Es wird plötzlich klar, dass Tilte und Hans und ich nicht für immer zusammen sein werden. Die Sache mitAschanti und Hans hat es in Gang gesetzt, aber es hat nicht nur mit Sich-Verlieben zu tun. Mit einem Mal fühlt man nämlich auch, dass wir irgendwann ans Ende unserer Tage kommen werden, dann stirbt erst einer und dann die anderen.
Wahrscheinlich wirst du jetzt sagen, na und, alle Menschen wissen doch, dass sie sterben werden. Das stimmt schon, aber normalerweise weiß man das nur mit dem Kopf. Dass man sterben muss, ist nie hier und jetzt, es ist etwas, das in der Zukunft liegt und so weit entfernt, dass man es beinahe nicht sehen kann und deshalb auch nicht ernst nehmen muss.
Aber in diesem Augenblick ist es plötzlich hier und nun.
Ich weiß, dass du das Gefühl auch kennst, alle haben es schon erlebt. Ich weiß nicht, woher es kommt. Aber ich betrachte Hans’ Hand, wie sie auf der Stuhllehne liegt, sie ist groß und eckig auf eine bestimmte Weise und immer braungebrannt, und plötzlich verstehe ich, dass ein Tag kommen wird, an dem diese Hand mich nicht mehr umfassen und emporheben wird, so dass ich die Welt von oben sehen kann.
Ich sehe zu Tilte hinüber. Ihr Gesicht ist dunkelbraun von der Sonne, obgleich wir doch erst April haben, das hat sie von Mutter geerbt. In Tiltes Gesicht gibt es kein bestimmtes Alter, man kann oft nicht sagen, ob sie sieben oder sechzehn oder sechzehnhundert Jahre alt ist, denn ihre Augen scheinen ständig eine sehr lange Zeit zu überblicken. Und dann diese Neugier, sie will von anderen Menschen alles wissen, und die Freundlichkeit, obwohl von der scharf geschliffenen und groben Sorte, ihre Freundlichkeit ist
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