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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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irgendwas Kostbares mit einem Gurkhamesser oder einem Flammenschwert bewachen.
    Aber jetzt empfängt sie uns mit offenem Visier, das liegt an dem Mercedes, an Hans’ Ehrenbezeigung und seiner strammen Grundstellung und nicht zuletzt an Kalle Kloaks als Höhere Vedanta drapierten Gardinen.
    In Situationen wie diesen haben Tilte und ich eine klare Arbeitsteilung. Ich breche durch die Verteidigung, während Tilte etwas zurückhängend als Rebounder fungiert.
    Ich brauche Inspiration und sehe mich um. An den Wänden hängen Bilder von den Schiffen der Reederei. Zuerst bemerkt man, dass es hier nicht um Optimisten-Jollen geht, sondern Containerschiffe und Supertanker ab hunderttausend Bruttoregistertonnen aufwärts. Das nächste, was ins Auge fällt, sind die Namen. Die Schiffe heißen sowas wie Tante Lalandia Bellerad , Großvetter Gævørn Bellerad und Onkel Makler Bellerad .
    Daraus schließe ich zweierlei: Die Schiffe der Reederei Bellerad fahren nicht mit Kokosnüssen oder mit Touristen auf dem Flüsschen Gudenå. Sondern mit Öl und schwerer Last im Persischen Golf. Und: Bellerad ist ein Mann, der stolz auf seine Familie ist und eng mit ihr verknüpft.
    Ich beuge mich zu der Schwellenwächterin vor.
    »Ich komme von der saudischen Botschaft«, sage ich. »Hier neben mir steht Prinzessin Til-te Aziz. Wir sind gekommen, um Bellerad zu verkünden, dass ihm der König-Abdul-Aziz-Orden verliehen wurde.«
    Neben der Frau stehen drei Männer. Sie kehren uns den Rücken zu, sie studieren gerade eine Weltkarte, die an der Wand hängt. Nun drehen sie sich langsam zu Tilte und mir um.
    Zwei der Männer sind kahlköpfig und untersetzt und haben eine Aura, dass ich einen kurzen Moment denke, vielleicht hätten Tilte und ich doch nicht dem höheren Impuls folgen, sondern lieber im Auto bleiben sollen.
    Aber nun wird der Mann in der Mitte Gegenstand unserer Aufmerksamkeit. Wir wissen, es ist der Schiffsreeder höchstpersönlich, und falls du mich fragst, woher wir das wissen, kann ich dir nur antworten, wenn du dich eines Tages vor Hannibal oder Anaflabia Borderrud oder Napoleon befindest, also vor einem der großen Generäle der Zeitgeschichte, wirst du auch keine Zweifel haben.
    Gut ist, dass wir den Angriffsvorteil haben. Bellerad, die beiden Glatzen und die Dame mit dem Flammenschwert sind schlichtweg baff. So dass die Möglichkeit gegeben ist, dass Tilte und ich wirklich im ersten nackten Eindruck der Psychologie des Schiffsreeders schwelgen können.
    Wir merken dreierlei: Erstens, Bellerad ist ein Mensch, der den meisten von uns gleicht, weil er nämlich bei der unverhofften Aussicht auf einen Orden, den er Tante Lalandia, Großvetter Gævørn und Onkel Makler würde zeigen können, innerlich zu beben anfängt.
    Zweitens, er ist ein Mann, dem aus langer Erfahrung bewusst ist, dass ein Mensch, der einem anderen etwas schenkt, weiß, dass er dafür möglicherweise das Doppelte wieder hereinbekommen wird, und nun ist die Frage, was in Kleinbuchstaben auf der Rückseite des Ordens eingraviert ist.
    Die dritte Information, die wir dem nackten Eindruck unmittelbar entnehmen, ist die, dass Bellerad etwas zu verbergen hat. Wohlgemerkt nicht eins der gewöhnlichen, medium size Geheimnisse, die wir alle haben, nein, Bellerads ist ein großes und wütendes Geheimnis. Wir haben das Gefühl, einem alten Elefantenbullen gegenüberzustehen, der wegen schlechten Betragens von der Herde ausgeschlossen wurde und nun gute Miene zum bösen Spiel macht, aber auf die Gelegenheit zum Kontern wartet.
    »Der Orden wird auf der Großen Synode überreicht«, sage ich. »Mit einem Wangenkuss von unserem König. Und der Prinzessin.«
    Tilte und ich bewegen uns rückwärts auf die Glastür zu. Bellerad und seine Mannen sind Typen, denen man nur ungern den Rücken zukehrt. Hans hält die Tür auf, öffnet uns die Wagentür und grüßt, er setzt sich ans Steuer und reiht sich in den Verkehr ein.
    Ich sehe mich einmal um. Sie sind alle vier auf dem Bürgersteig erschienen und starren uns hinterher.
     
    Wir setzen unsere Fahrt fort, vorbei an Bürogebäuden und weiteren Ausflugszielen des Vereins zur Verschönerung der Hauptstadt , Tilte macht ein Zeichen, wir biegen nach links. Wir sind schweigsam und nachdenklich und hoffen, dass Bellerad nicht gemerkt hat, dass Mutter und Vater seine Privatkorrespondenz geknackt haben, denn er sieht nicht aus wie ein Mann, der seelenruhig dabei zuguckt, wie andere Leute seine Briefe lesen, sondern eher wie einer, der

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