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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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so groß, dass sie nur von Urgroßmutter übertroffenwird, und die hat fünfundneunzig Jahre gehabt, um zu ihrer jetzigen Form aufzulaufen.
    Irgendwann werde ich ein allerletztes Mal in diese Freundlichkeit und die gleichsam müden Augen schauen, das wird mir jetzt bewusst. Und das Herz wird mir immer schwerer, als wäre das allerletzte Mal schon da.
    Aber dann geschieht etwas, das so still und unsichtbar ist, dass niemand es bemerkt. Ich bleibe nämlich sitzen, das ist es, ich gehe von der Trauer und der Angst nicht weg.
    Normalerweise kann man es nicht ertragen. Es ist schlimm genug, mit dem Kopf zu wissen, dass man sterben muss, aber es im Herzen zu fühlen, ganz wirklich, das hält der Mensch gewöhnlich nicht aus. Ich auch nicht, ich bin nicht mutiger als du. Aber wenn man eine Schwester hat, mit der man den Weg zur Tür hin ansatzweise erforschen und mit tiefschürfenden theologischen Studien im Netz und in der Finøer Bücherei ergänzen konnte, dann kommt der Zeitpunkt, wo man es nicht mehr aushalten kann, die Augen zuzumachen und Schwarz zu tragen, und für mich ist dieser Zeitpunkt offenbar jetzt gekommen.
    Das heißt, ich mache dem Gefühl in all seiner Schrecklichkeit gewissermaßen Platz. Wenn man das tut, erscheinen zunächst Bilder des Todes, aus irgendeinem Grund sehe ich mich selbst als ersten sterben. Ich sehe es leibhaftig vor mir, ich liege in einem Bett, und Hans und Tilte nehmen von mir Abschied.
    Keine Ahnung, woher diese Bilder kommen, denn mit vierzehn ist es schwer, sich an etwas Bestimmtem sterben zu sehen, aber vielleicht sterbe ich an meinen Trainingsverletzungen, wenn man auf so hohem Niveau wie in der ersten Mannschaft des Finø Boldklub spielt, hat das seinen Preis.
    Obwohl es nicht ganz wahr ist, wenn ich ehrlich sein soll, denn mit meinen Verletzungen brauchte ich zum Beispiel auf der Intensivstation des Krankenhauses Finø gar nicht erst anzukommen, dafür konnte ich mir nichts kaufen, denn über Blutgrätschen bin ich immer hinweggetanzt wie ein Elfenmädchen über Maiglöckchen, ich hatte nie etwas Ernsteres als einen leichten Muskelfaserriss. Wo also das Bild meines eigenen Dahinsiechens herkommt, weiß ich nicht, aber ich sehe mich zu Hans und Tilte Lebewohl sagen und sie umarmen und ihnen danken, weil ich sie kennenlernen durfte, und ich sehe ein letztes Mal auf Hans’ eckige Hände und in Tiltes Freundlichkeit hinein, und dann blicke ich in das Gefühl zu sterben selbst.
    Tut man dies, wird es noch wirklicher. Es ist, als geschähe es hier und jetzt, in der Luxussuite am Kopenhagener Hafen, mitten am helllichten Tag bei greller Sonne.
    Ich versuche mich nicht mit einer Rettung in letzter Sekunde zu trösten. Ich tröste mich nicht damit, dass sicher einfach nur das Licht gelöscht wird oder Jesus auf mich wartet oder Buddha oder wer auch immer mit breitem Lächeln und einer Aspirin vortritt und erzählt, dass es schon nicht so schlimm wird. Ich stelle mir gar nichts vor, ich spüre bloß den Abschied, dem keiner entkommen kann.
    Genau in dem Augenblick, in dem man fühlt, dass man tatsächlich alles verlieren wird, dass absolut nichts übrig bleibt und man sich also auch an nichts festhalten kann, geschieht etwas. Ich kenne das, es ist irgendwie ganz unbedeutend und unauffällig, weshalb es auch so schwer zu entdecken ist. Man sollte es sich am besten von einem anderen zeigen lassen, mir wurde es von Tilte gezeigt, und jetzt sag ich’s dir: In dem Augenblick taucht ein Schimmer von Glück und Freiheit auf. Es gibt nichts, das sich verändert,man sitzt, wo man die ganze Zeit gesessen hat, und keiner ist einem zu Hilfe gekommen, keine Seraphim oder Engel oder Huris oder heilige Jungfrauen oder sonst ein himmlischer Support . Man sitzt einfach da und sieht in die Tatsache hinein, dass man sterben muss, und merkt, wie sehr man die liebt, die man verlieren soll, und dann geschieht es: Einen ganz kurzen Augenblick ist es, als verginge die Zeit nicht. Oder eher: als gäbe es sie nicht. Als wären die Langelinie und Kopenhagen und Seeland ein Zimmer in einer Schale, und einen kurzen Moment lang ist die Schale weg, mehr passiert nicht, das Gefühl der Angst und des Eingesperrtseins ist weg, und man spürt die Freiheit. Man spürt, dass es eine bestimmte Art und Weise gibt, auf der Welt zu sein, dieser Welt, die nicht sterben soll und wo man keine Angst hat, denn das eigentliche Gefühl der Freiheit verschwindet nie. Natürlich sterben Hans und Basker und Tilte und ich selber und mein

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