Die Kinder der Elefantenhüter
Winde verweht ist, Conny also, die meinen Namen auf unnachahmliche Weise aussprach, die nur möglich ist, wenn ein Mensch echte Liebe zu einem anderen empfindet.
Es ist mithin sicher wie das Amen in der Kirche, dass in dieser kurzen Zeit zwischen der Sängerin und unserem Bruder etwas vorgefallen ist, das ihn innerlich vollkommen umgekrempelt und größtenteils von den Sternen wieder auf die Erde geholt und gnadenlos verliebt gemacht hat. Und obwohl Tilte und ich ihm das immer und von Herzen gewünscht haben, ist die Tatsache, jetzt, da man ihr gegenübersteht, erschütternd. Denn nun wird mir klar, dass ich es nie ernsthaft für möglich gehalten hätte. Im Innern habe ich darauf vertraut, dass Hans mich bis zuletzt behütenwürde, bis ans Ende unserer Tage, und jetzt ist das Ende der Tage plötzlich ganz nah, und das ist nicht lustig und versetzt mir einen Stich in die Herzgrube.
Wir sitzen in einem Mercedes, einer Automarke, die wir nach den Erlebnissen der letzten Tage langsam als selbstverständlich ansehen, er biegt zur Langeliniebrücke ab, Hans fährt über den Radweg, auf den Rasen und hält. Tilte und ich ducken uns im Auto und schauen vorsichtig hinaus, wir sehen Taxen vorbeifahren, hinter ihnen Limousinen, die Gitte, Lama Svend-Helge und Sindbad al-Blablab abgeholt haben, einen Leichenwagen mit Vibes Sarg, zwei Polizeiautos und einen schwarzen Kastenwagen mit vergitterten Fenstern, hinter denen ein Schatten von Alexander Finkeblod zu sehen ist, er starrt vor sich hin, als ob er irgendetwas ausheckte, zum Beispiel sich durch die Stahlplatten zu beißen, um sich auf zufällig vorbeigehende Passanten stürzen zu können.
»Wir müssen zur Toldbodgade, Hansemann«, sagt Tilte. »Liegt das in einem Teil der Galaxis, den du womöglich ohne astronomische Navigation finden könntest?«
Nur eine kleine, witzige Hänselei, wird man sagen. Aber unter der unschuldigen Oberfläche höre ich noch etwas anderes: Tilte ergeht es mit Hans und seiner Schönen genauso wie mir. Wir gönnen es ihm von ganzem Herzen. Und wir haben noch eine weitere Aufgabe bekommen, die wir kurz lösen müssen, ehe die Sache mit der glücklichen Kindheit unter Dach und Fach gebracht und zu den anderen Preispokalen gestellt werden kann.
Wir fahren die Esplanade entlang, Tilte macht ein Zeichen, wir halten, sie steigt aus, geht in einen Kiosk und kommt mit einer Prepaidkarte zurück, eine Tat von zeitloser Weisheit, denn obwohl Katinka einen anstrengenden Vormittag hatte, wird eine Begabung wie sie rasch das Fehlen ihres Handys entdecken und es sperren lassen.
Tilte setzt sich neben mich. Hans will eben losfahren, da sehen sie und ich etwas, das uns gleichzeitig »Warte!« rufen lässt.
Die Esplanade ist eine vornehme Straße und offenkundig ein Ausflugsziel des Vereins zur Verschönerung der Hauptstadt . Wahrscheinlich verweilen die Mitglieder auf ihren Stadtwanderungen gern bei dem Wohnhaus, das schräg hinter uns liegt, denn es hat eine Ausstrahlung gepflegter Noblesse, selbst wir fühlen uns dem gegenüber wie das Mädchen mit den Schwefelhölzchen, obwohl wir doch vom Pfarrhof einiges Gute gewohnt sind und obwohl wir grade in einem Benz sitzen.
Zur Straße hin hat das Gebäude eine Glastür, breit wie ein Wagentor, daneben hängt eine Marmorplatte, die Tiltes und meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und auf der eingraviert ist: Bellerad Shipping .
Dass Tilte und ich nun wie zwei Synchronschwimmer handeln, ist schwer zu erklären, eigentlich kann ich nur sagen, dass wir von dem Gefühl geleitet werden, im Einklang zu sein: mit einem höheren Ziel und mit unserer großenErfahrung, selbst unzugänglichste Orte zu erreichen, wenn es darum geht, Lotterielose zugunsten des Finø Boldklubs zu verkaufen.
»Fahr drei Meter zurück«, sagt Tilte zu Hans. »Dann steigst du aus, und hältst uns die Tür auf. Und wenn wir aussteigen, grüßt du. Dann öffnest du für uns die Glastür.«
Wie gesagt, deutet alles darauf hin, dass Hans eine rasante Entwicklung durchlaufen hat. Aber die Bäume wachsen nicht in den Himmel, das heißt, er hat noch nicht das fortgeschrittene Stadium erreicht, in dem man behutsam überlegen kann, Tilte zu widersprechen. Kurz, er setzt zurück, steigt aus, öffnet den Schlag und grüßt. Worauf er uns die Glastür aufhält.
Wir kommen in einen großen Empfangssaal. Hinter einem Tisch sitzt eine Dame mittleren Alters, so Anfang dreißig, der Typus, den man aus den großen Religionen kennt, wo sie dann
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