Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
Leitergewirr tatsächlich an Eschers unendliche Treppe erinnerte, wie Axel gesagt hatte. Nur dass es den Anschein hatte, als sei es wirklich möglich, hinunterzuklettern.
Axel stand am anderen Ende der Plattform und starrte auf etwas, das direkt unter ihm lag und an das Gerüst gebunden war. »Da liegt irgendetwas Totes«, sagte er.
Der Professor reichte John eine weitere Taschenlampe und folgte den Zwillingen in die Ausgrabungsstätte. Alle drei gingen zu Axel hinüber.
»Es sind die Überreste von etwas, das einen sehr langen Hals hatte«, sagte er und richtete seine Taschenlampe auf ein seltsam aussehendes Skelett. »Ein Pferd vielleicht. Aber uralt, würde ich sagen.«
»Oder sehr jung«, erwiderte John grimmig.
»Das ist ein kleines Kamel«, sagte Philippa. »Sicher ist es Kauwidas Fohlen.«
»Ja«, sagte John. »Genau das ist es.« Er schüttelte den Kopf. »Kein Wunder, dass Kauwida die Stelle nicht vergessen hat. Selbst mit einer dicken Erdschicht darüber konnte sie das Junge durch das Lederdach mit Leichtigkeit wittern und hören.«
»Sie waren sehr gewiefte Männer, diese Mongolen«, sagte der Professor. »Sehr gewieft und sehr grausam.«
Axel packte eine der Leitern. »Das Ding mag über siebenhundert Jahre alt sein, trotzdem macht es einen sicheren Eindruck.« Er begann hinunterzusteigen. »Hier ist alles erstaunlich gut erhalten. Nur kalt. Es ist eiskalt hier unten. Wahrscheinlich hat der Permafrostboden die Dinge so lange konserviert.«
»Das ist nicht gut«, sagte Philippa.
»Warum?«, fragte der Professor.
»Weil unsere Dschinnkraft nicht funktioniert, wenn uns kalt wird«, sagte Philippa.
»Hoffen wir, dass wir nicht hier unten bleiben, bis es dazu kommt«, sagte John und folgte Axel über die Leiter.
Philippa ließ Moby auf der obersten Ebene zurück und kletterte ihrem Bruder nach.
Das Echo von Johns Stimme und Mobys Quaken machten Philippa klar, wie groß Dschingis Khans Mausoleum wirklich war. Dann sah sie nach unten und staunte über das Ausmaß der riesigen Grabkammer. Dennoch dauerte es nicht lange, bis sich beiihr die Klaustrophobie bemerkbar machte, unter der Dschinn häufig leiden, wenn sie sich in geschlossenen Räumen aufhalten. Doch in Philippas Fall hatte die Klaustrophobie mehr damit zu tun, dass sie sich im Innern eines Massengrabs befand, und diese unangenehme Tatsache wurde durch den Geruch nach Tod und Verwesung noch verschlimmert.
Nachdem sie die komplizierte Abfolge aus Leitern und Gerüsten bewältigt hatten, landeten die vier Entdecker schließlich auf dem Boden der Grabkammer.
Es war John, der die ersten beiden Entdeckungen machte. Die erste war ein Beinhaus oder Ossarium, wie man eine letzte Ruhestätte nennt, in der die Gebeine von Toten aufbewahrt werden. Nur war das hier keine gewöhnliche Ruhestätte und kein gewöhnliches Ossarium. Was in diesem Mausoleum aufbewahrt wurde, war weit mehr als die Gebeine von ein paar Toten. Obwohl die zahllosen sauber aufgehäuften Skelette – von denen die meisten noch in mongolischen Rüstungen steckten – zu viele waren, als dass John sie hätte zählen können, kam ihm bei ihrem Anblick sofort eine ganz bestimmte Summe in den Sinn – zwanzigtausend, um genau zu sein. Im Grund handelte es sich eher um eine Pyramide als um ein Ossarium, und John begriff plötzlich, dass man das System aus Leitern und Gerüsten, über das sie gerade hinabgestiegen waren, nicht nur errichtet hatte, um im Mausoleum hinauf- und hinunterzusteigen, sondern auch, um den sorgfältig aufgehäuften Knochenberg an seinem Platz zu halten.
»Erinnert ihr euch noch an all die Soldaten, die von den Söhnen Dschingis Khans getötet wurden, um diesen Ort geheim zu halten?«, fragte er.
»Ja«, sagte der Professor. »Es waren zwanzigtausend. Was ist mit ihnen?«
»Ich hab sie gerade gefunden«, sagte John. »Alle miteinander.«
Die anderen kamen, um es sich anzusehen.
»Unglaublich«, sagte der Professor. »Wie Ölsardinen in der Dose. Sie müssen aufeinandergelegen haben, als man sie tötete. Absolut unglaublich.«
»
Grauenhaft
würde ich dazu sagen«, sagte Philippa.
»Ich habe noch nie einen so großen Berg von Knochen gesehen«, sagte Axel. »Das ist wie ein Mount Everest aus menschlichen Gebeinen.«
John war bereits dabei, den Fuß der Pyramide zu umrunden. »Hier!«, rief er. »Ich glaube, ich habe unseren Mann gefunden!«
Sie folgten ihm auf die andere Seite des Ossariums, wo sie ein weiteres Skelett entdeckten, das auf einem in die
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