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Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan

Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan

Titel: Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. Kerr
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Milch.«

Groanins neue Stellung

    Guidonia ist ein nicht allzu großes, verwahrlostes Nest nordöstlich von Rom. Ein deprimierender, hässlicher Ort, mit vielen Arbeitslosen und Kriminellen, und wohin man auch schaut, prangen überall Graffiti, die zwar von den Griechen erfunden, aber von den Römern häufig nachgeahmt wurden.
    Als Vitos Eiswagen in Guidonia einfuhr, sah Groanin Graffiti an öffentlichen Verwaltungsgebäuden, am Krankenhaus, auf Autos, Brücken und Überführungen, auf Werbetafeln und selbst auf dem Fell der Straßenköter. Wenn er lange genug still stand, überlegte Groanin, wurde er am Ende selbst mit einem Spruch oder einer Obszönität verziert.
    Manche Leute mögen Graffiti. Groanin aber gehörte nicht dazu. Er fand, dass man die sogenannten »Künstler«, die ihre unansehnlichen Texte und Erkennungszeichen auf Wände – und sogar auf Hunde – sprühten, zusammen mit einem Haufen Wildkatzen in einen Sack stecken und in den Tiber werfen sollte, was bei den alten Römern eine beliebte Strafe gewesen war. Sie hatten sich ausgekannt mit richtigen Strafen, fand Groanin, und es nicht bei einem Klaps aufs Händchen belassen, wie es heute üblich war. Wenn man sicherstellen wollte, dass ein Weltreich ein knappes Jahrtausend Bestand hatte, dann musste man Groanins Meinung nach auch dafür sorgen, dass sich die Leute anständig benahmen.
    »Macht nicht viel her, der Ort, was?«, sagte er. »Das Kaff macht wirklich nicht viel her, sage ich. Dabei dachte ich immer, Manchester wäre deprimierend.«
    »Ich habe Sie schon beim ersten Mal verstanden«, sagte Vito.
    Dieser war schon früher in Guidonia gewesen und kannte sich aus. Sie fanden Decebal und einige Mitglieder seiner Gang am anderen Ende der Stadt, um ein limonengrünes Sofa geschart.
    Decebal, ein hübscher dunkelhaariger Junge von vierzehn Jahren, war mühelos an seinem neonblauen Trainingsanzug zu erkennen – dem gleichen Anzug, den er auch im Beitrag des italienischen Fernsehens über sich und seine rumänische Straßengang getragen hatte – und an dem weißen Geländewagen, der in der Nähe stand und das Kennzeichen 8   DECIBEL trug. Das Nummernschild war gut gewählt, denn sämtliche Wagentüren standen offen, und heraus drang das laute monotone Gewummer, das die meisten Menschen an entferntes Flakfeuer denken ließ und die schwüle vorabendliche Luft erfüllte.
    Vito hielt neben dem Geländewagen an. »Behalte den Engländer im Auge!«, befahl er Toni. »Ich gehe und rede mit dem Jungen.«
    Decebal sah Vito misstrauisch entgegen und spuckte auf den Boden.
    »Es hat niemand Eis bestellt«, sagte er.
    »Ich habe dir etwas Besseres mitgebracht«, sagte Vito. »Einen Engländer.«
    »Was soll ich mit einem Engländer?«, fragte Decebal zurück.
    »Er ist reich, und der Mann, für den er arbeitet, ist noch reicher.«
    »Und was macht er genau?«
    »Er ist ein Butler.«
    »Na und?«
    »Ich habe mir gedacht, dass du vielleicht ein Lösegeld für ihn kassieren willst«, sagte Vito.
    »Und warum machst du das nicht selbst?«, fragte Decebal.
    »Weil Entführungen nicht mein Geschäft sind. Aber du kannst das gut.«
    Decebal nickte. Trotzdem zogen sich die Verhandlungen eine Weile hin, ehe sie zu einem Abschluss kamen und Vito wieder zu Groanin und dem Eiswagen zurückkehrte.
    »Nehmen Sie Ihr Zeug«, sagte Vito zu Groanin. »Diese Jungs kümmern sich um nächsten Teil von Ihre Reise.«
    Groanin tat, wie ihm geheißen, auch wenn ihm dabei gar nicht wohl war. Im Gegenteil. Er beäugte den jungen Decebal und seine Bande mit größtem Misstrauen. Der Butler mochte einen superstarken Arm haben, aber diese jungen Männer trugen allesamt Waffen, und das ziemlich offensichtlich, so als scherten sie sich kein bisschen um Recht und Gesetz. Groanin hatte sich alle Mühe gegeben, den wahren Umständen seiner Situation nicht ins Auge zu sehen – dass er nämlich entführt wurde   –, doch jetzt konnte er sie schlecht noch länger ignorieren.
    Als Vito und Toni in ihrem Eiswagen und mit seiner Geldtasche davonfuhren, fühlte sich Groanin mit einem Mal sehr ängstlich und sehr allein.
    »Typisch«, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen. »So geht es mir immer. Da quittiere ich bei Nimrod den Dienst, um nicht in Gefahr zu geraten, und die Sache endet damit, dass ich entführt werde. Und das von einer Horde dummer Bengel.«
    Decebal schnickte seine Zigarette fort, ging um Groanin herum, als wäre er eine rätselhafte Skulptur, und schüttelte den Kopf.

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