Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
amerikanischer Soldaten bevölkert, von denen viele schwer bewaffnet waren; und an fast jeder Straßenecke waren Sandsäcke aufgetürmt und militärische Kontrollpunkte eingerichtet, an denen Autos und Lastwagen anhalten mussten, um durchsucht zu werden. Hauptsächlich jedoch bestand der Straßenverkehr aus Kindern auf Fahrrädern, stark verschleierten Frauen auf Eseln, Paschtunen auf Mopeds und Motorrädern und Händlern, die mit Waren beladene Kamele am Zügel führten.
John musterte Professor Stürlüson in seiner leuchtend blauen Burka und dann eine Gruppe ebenso gekleideter unbekannter Frauen und stellte fest, dass er keinen Unterschied erkennen konnte. Jeder konnte unter solch einem Gewand stecken, einfach jeder, selbst seine Tante Alexandra, der er nie begegnet war und wohl auch jetzt nicht begegnen würde, wie es aussah.
»Wie fühlen Sie sich, Professor?«, fragte er.
»Ich komme mir ein wenig töricht vor«, gestand der Professor. »Es ist, als steckte ich in einem Zelt. Ich bin froh, wenn wir diesen Kamelhändler gefunden haben und von hier fortkommen.«
»Wenn ich mich richtig entsinne«, sagte Nimrod, »befindet sich der Kamelmarkt nördlich des Charsoo-Platzes.« Er wies nach rechts. »Also da entlang.«
Er führte sie durch Straßen voller Rikschas und Motorroller, bis zu einem Markt, auf dem es alles zu kaufen gab: Obst und Gemüse, wunderschöne Kleider und Teppiche, Computerzubehör, Fleisch und Brot, Waffen und Munition. In einem Geschäft für Fernsehgeräte legten sie einen kurzen Halt ein, um sich die Nachrichten auf Tolo TV anzusehen. Es fiel den Zwillingen und den beiden Isländern nicht leicht zu verstehen, um was es ging, doch der grobe Inhalt des Nachrichtenberichts war klar: Der Damavand, der mit mehr als fünfeinhalbtausend Metern größte Vulkan der Region, hatte seine Kuppe weggesprengt und viele Iraner gezwungen, ihr Heim zu verlassen.
»Schlimm«, sagte der Professor.
Mit seiner tiefen Stimme zog er ein paar befremdete Blicke von Einheimischen auf sich, doch im Großen und Ganzen ignorierte man ihn.
»Das ist sehr schlimm. Der Damavand ist seit Jahrhunderten, möglicherweise schon seit Jahrtausenden, untätig.« Er sah zum Himmel auf, der immer noch die gleiche Farbe hatte wie seine Burka. »Kein Anzeichen von Auswirkungen auf das Wetter. Aber wenn das so weitergeht, wird es unweigerlich zu einem vulkanischen Winter kommen. Nach dem Ausbruch des Tambora in Indonesien wurde 1816 das Jahr ohne Sommer. Die Saaten gingen nicht auf, das Vieh starb, und die Welt erlebte die schlimmste Hungersnot des neunzehnten Jahrhunderts.«
»Dann sollten wir hier auf keinen Fall unsere Zeit mit Fernsehen vergeuden«, sagte Nimrod und schnippte mit den Fingern. »Lasst uns schnell diesen Kamelmarkt suchen. Und, wenn es geht, die Nachkommen von Ali Bilharzia.«
Sie konnten ihn riechen, noch bevor sie ihn sahen – oder hörten: Hunderte lauthals rülpsender und gewaltig stinkenderKamele bevölkerten einen Platz, so groß wie ein Fußballfeld. Fliegen, Staub und heftige Debatten erfüllten die Luft, während wild gestikulierende Händler und ihre scheinbar gleichgültigen Kunden um Kauf und Verkauf der seltsamen Tiere feilschten, die geduldig ihres Schicksals harrten. Dieses bestand nicht immer darin, als buckliger Lastenträger zu dienen; hier und da liefen Händler mit Tabletts herum, auf denen sich Berge von Kamelleber türmten – eine örtliche Spezialität, die roh oder mit Erdnusssoße verzehrt wurde.
Allein vom Anblick dieser Tabletts und dem Fleischgeruch, der ihr in die empfindliche Nase stieg, wurde Philippa speiübel. Sie musste einige Male das Gesicht in den seidigen Falten ihres afghanischen Kleides vergraben, um dem strengen Lebergeruch zu entkommen. Und es war ein Glück, dass Nimrod es so eilig hatte, sonst hätte er sich womöglich ein paar Happen gegönnt – die er früher für sein Leben gern gegessen hatte – oder, noch schlimmer, er hätte seinen Neffen und seine Nichte gedrängt, ebenfalls davon zu kosten.
So aber beließ er es bei einigen Bechern
Doogh
, dem afghanischen Nationalgetränk aus Joghurt, Zitronensaft, Gurke, Mineralwasser, Minze und Salz.
John warf nur einen kurzen Blick in das Glas, das Nimrod ihm anbot, und beschloss, lieber nicht zu probieren, da er prinzipiell nichts trinken mochte, das aussah wie Rotze.
»Außerdem«, sagte er, »hört sich das eher nach einem Schimpfwort an als nach einem Getränk. Wie das Geräusch, das man macht, wenn einem
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