Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
uns folgen?«
»Hab ich das?«
»Ja«, log Dybbuk. »Das haben Sie.« In Wirklichkeit hatte er Zadie geraten, es zu tun. »Und Sie wissen auch noch, dass die Brücke aus Menschenhaaren bestand?«
»Ja«, sagte Macreeby. »Daran erinnere ich mich noch. Wer hätte gedacht, dass es so viele Inka gab, die sich freiwillig die Haare schneiden ließen?«
»Also, als Zadie auf die Brücke einschlug, sind ein paar von den Strähnen … na ja, sie sind sozusagen lebendig geworden, wie eine Boa constrictor, und haben sie beim Reparieren der Brücke erwürgt. Bevor Zadie ihr Fokuswort aussprechen konnte, hatten sie sich schon um ihren Hals geschlungen. Weder Sie noch ich konnten irgendetwas tun.«
»Du liebe Zeit«, sagte Macreeby. »Die arme Zadie.«
»Hätte jedem von uns passieren können«, sagte Dybbuk mit einem achtlosen Achselzucken.
»Jedem, der mit einer Machete auf die Brücke einschlägt, meinst du«, sagte Macreeby.
Dybbuk nickte ernst. »Sie waren sehr mutig«, sagte er.
»Tatsächlich?«
»Ja. Wissen Sie das nicht mehr? Sie haben versucht, mit ihrer eigenen Machete die Haare durchzuschneiden, die Zadie die Luft abschnürten, und wären um ein Haar selbst erwürgt worden.«
»Du liebe Zeit«, sagte Macreeby. »Das klingt, als wäre ich mit knapper Not davongekommen.«
»Ja, das kann man wohl sagen. Sie hatten wirklich Glück.«
»Dann sage ich es noch einmal. Arme Zadie. Tot, sagst du?«
»Tot.«
»Das ist wirklich schade«, sagte Macreeby. Er schnalzte mit der Zunge und kickte dann einen Stein aus dem Weg. »Sie wollte mir drei Wünsche gewähren. Ich hatte fest damit gerechnet. Schon, um mich vor Nimrod zu schützen.«
»Wenn ich meine Dschinnkraft wiederhabe«, sagte Dybbuk, »gebe ich Ihnen noch drei dazu. Um die Wünsche wiedergutzumachen, die Ihnen durch Zadie verloren gegangen sind.«
Eigentlich hätte Macreeby ihm widersprechen müssen. Ihn darauf hinweisen müssen, dass ein vierter Wunsch die vorangegangenen drei wieder aufhob. Doch das tat er nicht. Und Dybbuk schloss daraus, dass sich Macreeby von dem Schlag noch nicht vollständig erholt hatte. Entweder das, oder er war zu diplomatisch, um ihm zu widersprechen. Schließlich hatte Virgil Macreeby ohne Dybbuk nicht einmal die Chance auf drei Wünsche.
Sie gingen weiter und kamen nach etwa einer Stunde um eine Biegung, hinter der der gelbe Steinweg durch eine Alleeaus hohen, gewundenen Pflanzen führte. Sie waren ungefähr mannshoch, braun, mit einer leuchtend rosafarbenen Blüte von der Form eines gebogenen Rohres und erinnerten vage an Pilze. Anfangs dachte Dybbuk, es sei der Wind. Erst nachdem er sie eine ganze Weile beobachtet hatte, merkte er, dass sich die Pflanzen ganz sachte bewegten, wie eine seltsame Art von Meerestier. In diesem Moment wurde ihm klar, dass es wahrscheinlich Fleischfresser waren.
»Worauf warten wir noch?«, fragte Macreeby, schob sich an Dybbuk vorbei und folgte dem Pfad. »Paititi liegt direkt vor unserer Nase.«
Dybbuk packte Macreeby am Rucksack und zog ihn zurück.
»Was ist los? Wo liegt das Problem?«
»Sehen Sie, da«, sagte Dybbuk, als ein kleiner Tapir auf den Pfad trottete.
Die rosafarbenen Pflanzen wandten sich dem Tier zu, als besäßen sie Augen. Im nächsten Augenblick hörten Dybbuk und Macreeby eine Abfolge von Spucklauten. Atemlos sahen sie zu, wie die Pflanzen röhrenartige Fäden abfeuerten, wie Pfeile aus einem Blasrohr, die in die ledrige graue Haut des Tapirs drangen. Sekundenbruchteile später brach das Tier tot zusammen. Kurz drauf färbten sich die röhrenartigen Fäden rot. Es war, als würde man im Krankenhaus bei einer Bluttransfusion zusehen. Die Pflanzen tranken das Blut des Tapirs.
»Du liebe Zeit«, sagte Macreeby. »Das sind Fleischfresser.«
»Das ist noch milde ausgedrückt«, stellte Dybbuk fest.
»So ähnlich wie die Venusfliegenfalle, nur in größerem Maßstab.«
»Viel größer. Ich würde vermuten, dass sie auch einen Menschen töten können, meinen Sie nicht?«
Eine der Pflanzen hörte kurz auf zu schlucken und gab ein Geräusch von sich, das stark an Rülpsen erinnerte.
»Sie trinken sein Blut«, stellte Macreeby fest.
»Offensichtlich. Und da wir an ihnen vorbeimüssen, ohne selbst einen Giftpfeil abzubekommen, schlage ich vor, dass wir uns den Umstand zunutze machen, dass sie gerade beim Fressen sind, und so schnell wie möglich an ihnen vorbeilaufen.«
Ehe Macreeby antworten konnte, sprintete Dybbuk den Pfad entlang und an den Vampirpflanzen
Weitere Kostenlose Bücher