Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
eigene Mumie wiederhat, wohl kaum«, sagte Mr Vodyannoy. »Für zukünftige Erscheinungen wird er wohl eher sie verwenden als das Ouija-Brett.«
»Dann haben wir es verpatzt«, sagte Nimrod. »Wir haben die große Chance vertan, eine Katastrophe abzuwenden.«
»Seltsam, finden Sie nicht?«, sagte Mr Vodyannoy. »Dass es der Junge war, der ihn gerufen hat. Schließlich ist er ein Zwilling. Das bedeutet vermutlich, dass John und Philippa tatsächlich die Zwillinge sind. Die prophezeiten Kinder.«
»Ich will gar nicht daran denken«, sagte Nimrod. »Aber ich habe es natürlich befürchtet. Schon immer. Ich glaube, ich sollte lieber Faustina informieren.«
»Könnte mir bitte jemand erklären, um was es hier eigentlich geht?«, sagte John, so laut es ging, ohne noch einen Polizisten zu verschrecken.
»Ich denke, es wäre besser, deine Schwester dabeizuhaben, wenn ich den Stand der Dinge erkläre«, sagte Nimrod. »Das hier betrifft sie ebenso wie dich. Manco Cápac war nicht nur der erste König der Inka, er war auch ein Dschinn, ein sehr mächtiger Dschinn.«
»Und die Prophezeiung?«, fragte John.
»Die Prophezeiung?« Nimrod stieß einen tiefen Seufzer aus. »Die Prophezeiung wird das Pachakuti genannt«, sagte er leise. »Etwas, das alle Dschinnstämme fürchten, gute wie böse. Pachakuti ist ein Wort der Inka und bedeutet ›die große Erde zittert‹. Es ist eine Prophezeiung über das Ende der Welt.«
D as P achakuti
Zwischen ihren Dschinnverso-Spielen ging Philippa auf ihr Zimmer und schrieb in ihr Tagebuch. Es war eine ihrer liebsten Angewohnheiten seit ihrer Zeit in Iravotum, dem geheimen Königreich des Blauen Dschinn von Babylon. Eine ihrer Gegnerinnen in Nightshakes war Zadie Eloko. Philippas Eintrag über Zadie lautete folgendermaßen:
Zadie Eloko ist etwa so alt wie ich, schätze ich. Sie gehört zum Stamm der Jann, genau wie Mr Vodyannoy. Ihr Vater kommt aus Jamaika und ist Politiker, ihre Mutter ist Engländerin und war früher eine berühmte Schauspielerin. Ihr älterer Bruder ist ein bekannter Umweltschützer. Sie ist ziemlich affektiert und hat mir erzählt, dass sie Konzeptkünstlerin werden will. Manche Leute haben ständig einen Lutscher im Mund, Zadie dagegen lutscht an einer Zahnbürste und scheint sich permanent die Zähne zu putzen. Die unglaublich weiß sind, wie ich zugeben muss. Ihr Fokuswort ist KAKORRHAPHIOPHOBIE und bedeutet übersteigerte Angst vor Versagen, hat sie mir erklärt. Sie scheint selbst darunter zu leiden. Trotzdem habe ich sie schon geschlagen! Mehr als einmal! Sie setzt ihre Dschinnkraft nur selten ein, weil sie es zu bequem
findet und »es viel lieber selbst macht«, wie sie sagt. Ich mag sie eigentlich ganz gern, aber sie wohnt hier in Nightshakes im Zimmer über Mr Groanin und treibt den armen Mann in den Wahnsinn, weil sie, wenn sie nicht gerade Dschinnverso spielt, auf den Holzdielen Stepptanz übt, wegen irgendeiner grässlichen Schulaufführung, bei der sie mitmacht. Groanin sagt, er würde sie am liebsten erwürgen. Zadie scheint zu glauben, dass mein Leben bisher viel interessanter verlaufen ist als ihres. Ich habe ihr erklärt, dass es nicht immer schön ist, ein interessantes Leben zu führen, weil es im Grunde nur bedeutet, dass vieles passiert ist, von dem längst nicht alles gut war. Wie die Zeit, die ich bei Ayesha in Iravotum verbracht habe. Und unsere Reise nach Kathmandu, als dieser stinkende Guru unser Blut stehlen wollte. Von diesem scheußlichen Terrakottakrieger, der den armen Mr Rakshasas absorbiert hat, ganz zu schweigen. Jedenfalls habe ich ihr, um sie nach unserem letzten Spiel aufzuheitern – sie hasst es zu verlieren –, dummerweise versprochen, dass sie das nächste Mal mitkommen darf, wenn ich mit John und Nimrod an irgendeinen interessanten Ort reise. Es war ein Dschinnversprechen, also bin ich natürlich daran gebunden. John wird ziemlich sauer auf mich sein, glaube ich. Deshalb werde ich es lieber eine Weile für mich behalten. Jedenfalls bis zu unserem nächsten Abenteuer.
Als sie vor dem Haus ein Auto vorfahren hörte, legte Philippa ihr Tagebuch beiseite und stand vom Schreibtisch auf. Sie schaute aus dem Fenster und sah einen riesigen Rolls-Royce vor dem Eingang. Auf der Fahrerseite stieg ein kleiner Mannaus, den sie wiedererkannte. Er trug einen gepflegten dunklen Anzug, eine Fliege und ein Paar gelbe Handschuhe. Es war Jonah Damascus, Chauffeur, Wachmann und Mädchen für alles in der Berliner Villa
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