Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
sodass er nun eher wie ein Gefängniswagen aussah, und platzierte obendrein noch zwei orangefarbene Sträflingsanzüge und zwei Paar Handschellen auf die Sitze.
»Da soll noch mal einer sagen, man könne Kriminelle nicht eines Besseren belehren«, sagte er.
»Muss das sein?«, fragte Groanin, als Zadie um das Cafétischchen herumsteppte, an dem er, John, Philippa und Mr Vodyannoy auf Nimrods Rückkehr warteten. »Ich muss zugeben, ich hätte nichts dagegen, wenn es hier irgendwo auf dem Platz eine Fußangel oder einen offenen Gully gäbe.«
»Das ist ein bisschen gemein«, stellte Philippa fest.
»Finde ich nicht«, sagte John.
»Sie macht mich wahnsinnig mit diesem Gehopse. Für wen hält sie sich? Gene Kelly? Oder Ginger Rogers? Ist das Mädel hyperaktiv, oder was?«
»Ja, das könnte gut sein«, meinte Mr Vodyannoy. »Wir Dschinn nennen es den Fluchtreflex, bei dem sich die Füße offenbar wie von selbst bewegen. Eine ganze Reihe von Dschinn leidet in der Jugend darunter.«
»Seht ihr«, sagte Philippa. »Sie kann nichts dafür. Deshalb sollten wir Verständnis haben.«
»Du vielleicht – ich nicht«, sagte John.
In Wirklichkeit bereute auch Philippa es bereits, Zadie zu ihrem südamerikanischen Abenteuer eingeladen zu haben. Es war nicht das Stepptanzen, das ihr auf die Nerven ging, und auch nicht die Zahnbürste, die sie ständig im Mund hatte, sondern vielmehr die gemeinen Kritteleien des anderen Mädchens.
Zadie steppte immer noch durch die Gegend, als die Frau, die die Kiste gestohlen hatte, damit am Tisch auftauchte und sie Groanin mit einer demütigen, furchtsamen Verbeugung überreichte.
»Es tut mir schrecklich leid«, sagte sie. »Ich entschuldige mich. Ich werde es nie wieder tun. Bitte verzeihen Sie mir, Señor.«
»Ha, das ist leicht gesagt«, sagte Groanin. »Sie sollten sich schämen, junge Frau. Ich hätte große Lust, die Polizei zu rufen. Hören Sie? Am liebsten würde ich Sie einsperren lassen. Ichhabe keine Zeit für Diebe. Wirklich nicht. Schon gar nicht, wenn sie anderer Leute Eigentum stehlen.«
Die Frau lächelte unterwürfig, rang flehend die Hände und verbeugte sich abermals. »Bitte verzeihen Sie mir«, wiederholte sie mit Tränen in den Augen.
»Niemals«, sagte Groanin bestimmt.
»Groanin«, mahnte Philippa streng. »Ich meine mich erinnern zu können, dass Sie auch mal ein Dieb waren. So haben Sie Nimrod doch sogar kennengelernt, oder? Weil Sie eine Karaffe gestohlen hatten, in der er sich zufälligerweise befand.«
Ein wenig pikiert sah sie der englische Butler an und räusperte sich. »Nun ja, das kann schon sein. Nett, dass du mich daran erinnerst. Ich hatte mein früheres Leben wohl fast vergessen.«
»Irren ist menschlich, vergeben göttlich«, sagte Zadie.
Groanin biss sich auf die Unterlippe. Es war eine Sache, von Philippa ermahnt zu werden, die er von Herzen gernhatte, aber etwas ganz anderes, sich von der mehr als nervtötenden Zadie belehren zu lassen. »Wenn ich bedenke, dass ich mich früher über diesen Dybbuk beklagt habe«, murmelte er.
»Hm?«, sagte Zadie, die ohnehin nicht zuhörte.
»Ich sagte, für die, die sowieso das Glück gepachtet zu haben scheinen, ist das ja schön«, sagte Groanin. »Aber für uns einfache Sterbliche sieht die Sache doch ein bisschen anders aus.« Mit einer gereizten Handbewegung verscheuchte Groanin die Frau. »Scheren Sie sich fort, bevor ich es mir anders überlege und Sie an den Pranger stellen lasse oder was immer man in diesem vermaledeiten Land mit Dieben macht.«
Die Frau drehte sich um und floh.
»So«, sagte Groanin triumphierend. »Das wird ihr wohl eine Lehre sein.«
M iesitos S chrumpfkopf und andere ekelhafte G utenachtgeschichten
Sie charterten ein Flugzeug und flogen nach Cuzco, in die alte Inkastadt, hoch in den Anden. Das Flugzeug war eine Cessna Caravan, und das war auch nötig bei der Ausrüstung, die sie aus New York mitgebracht hatten. Während das Flugzeug in Cuzco aufgetankt wurde, flogen sie mit dem Hubschrauber hinauf zur Zitadelle von Machu Picchu, der sogenannten »Verlorenen Stadt«, die Hiram Bingham 1911 entdeckt hatte.
Machu Picchu scheint fast in den Wolken zu liegen, und für die Zwillinge war es einer der spektakulärsten Anblicke, die sie je gesehen hatten. Fast so schön wie die Pyramiden, auch wenn die Stadt viel jünger war.
»Kaum zu glauben, dass die Inka alle diese riesigen Felsblöcke hier hinaufgeschafft und die Stadt ohne Dschinnkraft erbaut haben«,
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