Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
sie zum Klettern, Kriechen und Schwimmen wie geschaffen – Jaguare sind wie Tiger begeisterte und gute Schwimmer. Als sie gerade einen Nebenarm des Amazonas durchquerten, entdeckte John eine Schildkröte, die er in einem plötzlichen Anfall von Hunger packte.
»Was machst du da?« Nimrods telepathische Stimme klang ungeduldig.
»Ich habe Hunger.«
»Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für einen Imbiss.« Nimrod leckte sich die Lippen. »Selbst wenn es eine köstlich aussehende Schildkröte ist. Und wenn das Gedächtnis dieses Jaguars mich nicht täuscht, hatten wir bereits Schildkröte zum Mittagessen.«
»Ich finde nicht, dass wir Zeit haben, etwas Größeres zu jagen.« John ließ die sich kläglich wehrende Schildkröte nicht los. »Oder? Ein Reh oder einen Tapir zu jagen kann Stunden dauern. Und jetzt habe ich die hier. Das ist immerhin ein Spatz in der Hand, wenn ich das mal so sagen darf.«
»Ja, du hast recht«, stimmte Nimrod ihm zu. »Ich bin selbst ein wenig hungrig und sie sieht wirklich gut aus, nicht? Vermutlich kann es nicht schaden, wenn wir einen Happen zu uns nehmen.«
»Es sei denn, du bist die Schildkröte.« Das Lachen klang hart und etwas von der Grausamkeit des Jaguars spiegelte sich in Johns Gedanken; schließlich kann man schlecht ein Jaguar sein, ohne selbst ein bisschen wie ein Jaguar zu werden. Im nächsten Moment biss John fest zu, und da Jaguare von allen Katzen den stärksten Biss haben, stärker als Löwen oder Tiger, drangen seine Zähne mit Leichtigkeit durch den Panzer und töteten die Schildkröte auf der Stelle.
Nimrod packte die hintere Hälfte des Tieres und die beiden rissen die arme Kreatur auseinander und verschlangen sie im Handumdrehen.
»Ich hatte mal eine Schildkröte als Haustier«, gestand John und leckte sich das Maul. »Als ich noch klein war. Aber ich habe sie nicht sonderlich gemocht. Sie hat mich immer gebissen.«
»Na, dann hast du dir den letzten Biss wohl aufgehoben«, sagte Nimrod und arbeitete sich knirschend durch die letzten Panzer- und Fleischreste. Später würde er das, was er nicht verdauen konnte, erbrechen. »Nun dann. Wollen wir weiter, solange es noch dunkel ist und wir den Vorteil haben, im Dunkeln sehen zu können? Ich wüsste nicht, wann ich jemals so gut gesehen hätte. Ich muss mir wirklich eine bessere Brille besorgen, wenn ich wieder in Menschengestalt bin.«
Sie wollten gerade weiterlaufen, als ein rhythmischer Lärm durch die feuchte Dschungelluft hallte.
»Was ist das?«, wunderte sich John.
»Hört sich an wie Buschtrommeln.«
»Glaubst du, es sind die Kopfjäger, von denen Miesito erzählt hat?«
»In diesem Teil des Waldes gibt es zwei verschiedene Indiostämme, John. Die Xuanaci und die Prozuanaci. Und nur die Xuanaci neigen zu kriegerischem Verhalten.«
»Vielleicht sollten wir umkehren«, schlug John vor. »Und dafür sorgen, dass den anderen nichts passiert.«
»Mr Vodyannoy ist durchaus in der Lage, die anderen zu beschützen«, erwiderte Nimrod.
»Wenn du meinst.«
Sie setzten ihren Erkundungsgang fort und hielten sich neben dem Pfad, dessen Verlauf sich Nimrod bei einem letzten Blick auf die Karte genau eingeprägt hatte. Nachdem sie eine weitere Stunde gelaufen waren, in der die Trommeln unaufhörlich weitergedröhnt hatten, blieb John stehen und schickte einen Gedanken zu Nimrod hinüber. »Es scheint alles in Ordnung zu sein. Meinst du nicht, wir sollten jetzt umkehren?«
»Lass uns noch nachschauen, wie es hinter der nächsten Hügelkuppe aussieht«, erwiderte sein Onkel und schob sich unter einem umgefallenen Baumstamm hindurch und durch ein dichtes Gebüsch, ohne dass sich auch nur ein einziges Blatt regte. Kurz darauf blieb er wie angewurzelt stehen.
»Was ist?«, fragte John verwundert.
Nimrod gab keine Antwort. Nach fast einer Minute legte er sich flach auf den Bauch und ließ etwas, das sich irgendwo vorihnen befand, nicht mehr aus den Augen. John kroch neben ihn und versuchte zu erkennen, was es war.
Regen setzte ein. Und noch immer gab Nimrod keine Antwort.
John schüttelte sich die Tropfen von den Ohren, kniff im unablässig strömenden Regen die Augen zusammen und starrte in die Dunkelheit. Nimrod starrte auf den krummen Stamm eines kleinen Baums, der in sieben oder acht Metern Entfernung vor ihnen lag und nichts Bemerkenswertes an sich zu haben schien. Sosehr sich John auch bemühte, er konnte rein gar nichts erkennen, verließ sich aber auf die Erfahrung seines Onkels und wartete ab. Es
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