Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Titel: Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
Vom Netzwerk:
wie das funktionierte.
    Nimrods Lampe war ausgestattet wie der Aufenthaltsraum eines eleganten Hotels, mit vielen prächtigen Gemälden, mehreren großen Ledersofas und Sesseln und einem lodernden Kaminfeuer. Nimrod setzte sich, zog die Schuhe aus und lud John ein, das Gleiche zu tun.
    »Stelle dir das Dekantieren als ganz normalen körperlosen Zustand vor«, sagte er zu John. »Du holst ein paarmal tief Luft und dann raus aus der Lampe. Verstanden?«
    John nickte.
    »Noch etwas. Fast hätte ich es vergessen. Das Dekantieren funktioniert wesentlich besser, wenn du deinen Körper nicht beim In-, sondern beim Exhalieren verlässt.«
    »Was heißt exhalieren?«
    »Tut mir leid. Ich hatte vergessen, dass du Amerikaner bist und dir Begriffe mit mehr als drei Silben fremd sind.«
    »Das ist ziemlich übertrieben.«
    »Aber wahr.« Nimrod lächelte honigsüß. »Du verlässt den Körper beim Ausatmen. Wenn du dann später wieder in ihn zurückkehrst, ist es, als würdest du einatmen. Daher haben die indischen Yogis auch ihre ganzen Theorien über das Atmen. Von uns.«
    John atmete tief aus und ließ sich aus der Lampenöffnung treiben. Es fühlte sich ganz anders an als bei einer Transsubstantiation. Dabei ging es nur um Rauch, während sich hierbei alles um Luft und frei schwebenden Geist drehte. Es war ein Gefühl unendlicher Leichtigkeit.
     
    Die beiden Jaguare rekelten sich hoch oben in den Ästen des Baums, ließen die Tatzen links und rechts herunterhängen und hatten die Augen geschlossen, obwohl keiner von beiden schlief. Jaguare verpassen nicht gern etwas. Und tun es auch nur selten. Sie waren Brüder, noch recht jung und noch keine einsamen Jäger wie die meisten älteren Jaguare. Wenige Stunden zuvor hatten sie ein leichtes Mittagessen in Form einer Schildkröte genossen, und sie freuten sich darauf, zum Abendessen etwas Herzhafteres zu erbeuten, ein Wasserschwein vielleicht, ein Pekari oder möglicherweise einen Affen. Ihre Mutter war inzwischen nur noch eine verschwommene Erinnerung.
    John schlüpfte in die kleinere der beiden Katzengestalten und begann augenblicklich seine Tatzen zu lecken, an denen noch ein Rest Schildkrötenfleisch hing. Nimrod erhob sich, und nachdem er ein- oder zweimal gemaunzt und geknurrt hatte, dehnte er den Brustkorb und stieß ein mächtiges Gebrüllaus. John wäre fast aus seinem wunderschönen getupften Fell gesprungen und verlor für einen Moment das Gleichgewicht. Sekundenlang hing er mit seinen scharfen Krallen an der Astgabel, ehe ihm das Gewicht seines Körpers zu viel wurde und er es leichter fand, sich einfach fallen zu lassen. Er sah zu Nimrod hinauf und wartete, wobei er ungeduldig mit dem langen Schwanz schlug. Nimrod brüllte noch einmal, als wollte er seine überlegene Größe und Stärke demonstrieren.
    »Wofür soll das denn gut sein?« John stellte seine Frage auf telepathischem Wege, aus dem einfachen Grund, weil Jaguare, wie die meisten Tiere, nicht sprechen können. »Du hast mir einen Riesenschrecken eingejagt.«
    »Wollte nur meinen Brustkorb ein wenig dehnen«, erklärte Nimrod. »Der Kerl hat drei Stunden auf dem Baum gelegen und fühlt sich ein bisschen steif an.«
    Sobald Nimrod vom Baum gesprungen war, trabte John den Dschungelpfad entlang.
    »Nicht so schnell, John. Vergiss nicht, dass diese Übung einzig und allein dazu dient, das Gelände vor uns auszuspionieren, uns schleichend vorwärtszubewegen und uns die natürlichen Eigenschaften dieser wunderbaren Mitglieder der Familie der
Felidae
zunutze zu machen. Außerdem sollten wir uns lieber am Rand des Trampelpfades bewegen statt auf ihm. Welchen Sinn hat es, ein Jaguar zu sein, wenn wir wie zwei tumbe Touristen den Pfad entlangtrotten.« Mit diesen Worten glitt er in das dichte Unterholz und war fast augenblicklich nicht mehr zu sehen. Die dunkelbraunen Ringflecken auf seinem gelbbraunen Fell waren die perfekte Dschungeltarnung.
    John knurrte und folgte dann dem anderen Jaguar. Sicherheitshalber knurrte er gleich noch einmal. Knurren gefiel ihm. Im Grunde genommen gefiel ihm alles daran, ein Jaguar zu sein. Er fragte sich, warum er bisher noch nie ausprobiert hatte, eine Großkatze zu sein. Und groß war er wirklich. Mit seinen anderthalb Metern Rumpflänge und fast achtzig Zentimetern Schulterhöhe wog John an die zweihundert Pfund. Nimrod war noch vier oder fünf Zentimeter größer und um einiges schwerer.
    Eine Stunde lang kamen sie im Dschungel gut voran. Mit ihrem kurzen, massigen Körperbau waren

Weitere Kostenlose Bücher