Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
gezogen, nicht? In vielerlei Hinsicht.«
»Das fühlt sich aber ganz anders an«, sagte Philippa. »Jedenfalls im Moment.«
»Das mag sein«, sagte der Guru und setzte ihr eine Nadel. Dann fügte er mit seinem nervtötenden Kichern hinzu: »Wenn man es wörtlich nimmt.«
Er trat zurück, um sein Werk zu bewundern: Drei Plastikbeutel füllten sich langsam mit kostbarem Dschinnblut. Dann zog er die Gummihandschuhe aus, legte die Hände aneinander und verbeugte sich vor seinen drei jungen Gefangenen. »Seid glücklich in eurem neuen Zuhause«, sagte er. »Es ist ein Ort der Ruhe und Entspannung. Ein Ort mühelosen Daseins und des Nichtstuns. Ihr habt euer Schicksal wahrlich erfüllt.«
Flammende Erleuchtung
Die drei Dschinnkinder saßen zitternd in ihrer Zelle unter dem Laboratorium des Gurus und aßen ihr Mittagessen. Sie waren blass vor Kälte und Blutverlust, da sie als Feuerwesen in kalten Temperaturen nicht gediehen und Hitze benötigten, um verlorenes Blut ebenso schnell zu ersetzen, wie es normalerweise der Fall war. Die Wahrheit war, dass die Kinder mit dem Tode rangen und weder sie noch der Guru zu diesem Zeitpunkt etwas davon ahnten
.
Trotz seiner Beteuerung, dass man sich gut um die Kinder kümmern werde, hatte es der Guru viel zu eilig, selbst ein Dschinn zu werden, um zu merken, dass seine kostbaren Gefangenen in Wirklichkeit schwer krank wurden.
»Schon wieder Steak«, sagte Dybbuk und legte los. »Jedenfalls werden wir hier nicht verhungern.«
»Ja«, pflichtete ihm John bei. »Das stimmt.«
»Ihr Idioten«, sagte Philippa, die ihr Essen links liegenließ. Die Arme wie einen Schal um den Körper geschlungen, schüttelte sie den Kopf. »Ihr kapiert’s einfach nicht, was? Sie füttern uns nicht mit Steaks, weil sie uns mögen, sondern weil rotes Fleisch viel Eisen enthält. Und Eisen ist notwendig, damit sich die Blutzellen erneuern.«
»Es gibt aber nicht nur Fleisch«, sagte Dybbuk. »Wir bekommenauch Knoblauch, Zwiebeln, Brokkoli, Spargel, Avocados und dann noch Kokosnuss …«
»Pah. Das enthält alles viel Schwefel«, sagte Philippa. »Dschinnblut braucht einen hohen Schwefelgehalt. Indem ihr ordentlich esst, helft ihr dem Guru nur, sein Ziel zu erreichen.«
»Willst du damit sagen, dass wir hungern sollen?«, wollte Dybbuk wissen. »Unser Blut holt er sich sowieso, also was soll’s? Es ist schon schlimm genug, dauernd frieren zu müssen, ohne auch noch zu hungern. Außerdem fühle ich mich nach dem Essen nicht ganz so verfroren und müde.«
»Du bist müde, weil du so viel Blut verloren hast«, sagte Philippa. »Jeder von uns hat in den letzten drei Tagen mehr als einen Liter Blut gespendet. Wenn er sich das nächste Mal welches holt, hat er genug Dschinnblut, um es komplett gegen sein menschliches Blut auszutauschen. Wer weiß, was dann passiert.«
Die beiden Jungen schwiegen einen Moment. »Was denkst du, Phil?«, fragte John. »Ob er sich wirklich in einen Dschinn verwandeln kann? Dazu gehört doch sicher mehr als das.«
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Aber die Immunität gegen Kobragift, die er seit der ersten Transfusion entwickelt hat, deutet darauf hin, dass irgendwas mit ihm passiert.«
»Komisch, dass bisher noch kein anderer Irdischer auf die Idee gekommen ist«, meinte Dybbuk. »Wenn man genauer drüber nachdenkt, liegt es irgendwie auf der Hand.«
»Vergiss nicht, dass Bluttransfusionen – jedenfalls erfolgreiche Bluttransfusionen – erst seit weniger als hundert Jahren durchgeführt werden«, sagte Philippa. »Das ist mal gerade die halbe Lebenszeit eines normalen Dschinn.«
»Apropos«, sagte Dybbuk. »Ich frage mich, wie lange er uns hierbehalten will.«
»Nicht lange«, meinte Philippa.
»Wie kommst du darauf?«
»Aus dem einfachen Grund, weil die beiden Woanders, die der Engel Afriel für uns geschaffen hat, John und mich nicht länger als ein Äon ersetzen können.«
»Und wie lange ist das?«, fragte Dybbuk.
»Eine Million Sekunden«, antwortete ihm John. »Das sind 11,57407407407407407407407407407 Tage. Phil hat Recht. Wenn sie verschwinden, wird Mom merken, dass irgendwas nicht stimmt, und sich auf die Suche nach uns machen.«
»Hoffentlich hast du Recht«, sagte Dybbuk. »Wirklich. Meine Mutter weiß bereits, dass ich verschwunden bin. Trotzdem hat sie mit ihrer Suche nach mir bisher nicht viel Glück gehabt.« Er zuckte die Achseln. »Und als ob das nicht schlimm genug wäre, sind wir im Moment nicht gerade leicht aufzuspüren. Nicht
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