Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
Ausbildung und echte Zukunftsaussichten. Und wenn er erst ein wenig älter ist, wird sie bestimmt etwas für ihn finden. Einen Job vielleicht. Oder drei Wünsche. Wer weiß?«
»Mein ganzes Leben ist kaputt«, sagte Philippa und ergriff die Hand ihres Vaters. »Nimm es mir nicht übel, Nimrod, aber das ist einfach zu viel.« Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah aus dem Fenster.
»Es könnte schlimmer sein«, sagte Nimrod. »Ich glaube, das musst du dir vor Augen halten, um diese Sache durchzustehen.«
»Schlimmer, als dass die eigene Mutter fortgeht?«, schluchzte John. »Ich weiß wirklich nicht, was schlimmer sein könnte.«
Nimrod ließ die beiden für eine Weile allein. John hatte Recht. Es gab nichts Schlimmeres, als von der eigenen Mutter verlassen zu werden. Er erinnerte sich noch daran, wie Ayesha, seine eigene Mutter, von zu Hause fortgegangen war und wie sehr er und Layla monatelang darunter gelitten hatten. Selbst die Trauer, die er jetzt über Ayeshas Tod empfand, war nichts im Vergleich zu dem Schmerz von damals. Verlust war eine Sache. Zurückweisung – denn als das hatten er und Layla es empfunden – war etwas ganz anderes. Er beschloss, über Nacht zu bleiben.
Am nächsten Morgen waren die beiden Woanders verschwunden.
»Ich bin froh, dass sie weg sind«, gab John zu. »Sie wurden mir langsam unheimlich.«
»Du hättest sie schon früher bitten können, zu gehen«, sagte Nimrod. »Ich glaube, mehr ist gar nicht nötig.«
»Das wollten wir nicht«, sagte Philippa. »Hast du dich schon mal selbst aufgefordert, zu verschwinden?«
»Nein«, gab Nimrod zu.
»Das ist gar nicht so leicht«, meinte John.
»Wie lange waren sie überhaupt hier?«, fragte Nimrod.
»Ein Äon«, sagte John. »11,57407 …«
»Schon gut«, sagte Nimrod und unterbrach Johns Dezimalzahlenaufzählung. »Ich weiß, wie lange ein Äon ist.«
»So lange ist ihre Lebensspanne, hat Afriel gesagt.«
»Und was Engel sagen, stimmt in der Regel«, pflichtete Nimrod ihm bei. »Deshalb ist es immer ratsam, auf sie zu hören, wenn sie in unser Leben treten. Zugegeben, manche von ihnen sind wirklich ein bisschen zu ernst und tugendhaft. Trotzdem ist es klug, auf sie zu achten, wenn sie in der Nähe sind. Sie wissen Dinge, die wir Dschinn niemals wissen werden. Geheimnisvolle Dinge. Rätsel des Universums. Apropos, wie ging es Dybbuk, als ihr ihn zuletzt gesehen habt?«
»Er war sonderbar«, sagte Philippa, »wie immer.«
»Nein«, widersprach John. »Das stimmt nicht. Er war noch sonderbarer als sonst. Als wir gingen, hat er in seinen Seelenspiegel gestarrt. Aber so, als sollte das keiner mitbekommen.«
»Habt ihr etwas gesehen?«, fragte Nimrod nach. »Ich meine, habt ihr in seinem Seelenspiegel irgendwas erkennen können?«
Die Zwillinge schüttelten den Kopf.
»Er hat ihn wieder abgedeckt«, sagte John. »Bevor wir was erkennen konnten.«
»Es ist ziemlich wichtig. Hat er euch gesagt, was er gesehen hat?«
»Nein«, antwortete John. »Aber was es auch war, hat ihn, glaube ich, nicht sonderlich glücklich gemacht. Eigentlich sah es aus, als könnte er den Anblick kaum ertragen.«
»Ich frage mich –«, murmelte Philippa.
»Was?«, fragte Nimrod.
»Ich frage mich,
warum
Dybbuk es wohl kaum ertragen kann, seine Seele anzusehen«, erklärte sie. »Er ist aufsässig, unverfroren, starrköpfig und launisch. Manchmal sogar ein bisschen grausam. Aber trotzdem ist er immer noch ein Junge.Er hat bestimmt nichts Böses an sich. Nichts, das sich in seiner Seele spiegeln würde.«
»Ich habe euch einmal erzählt, dass es sechs Stämme der Dschinn gibt«, sagte Nimrod. »Aber genau genommen gibt es sieben, denn hin und wieder wird ein Dschinn geboren, der weder Marid, noch Ifrit, Jinn oder Ghul, Jann oder Shaitan ist, sondern eine Mischung aus zwei Stämmen. In diesem Fall aus Marid und Ifrit.«
»Ich verstehe kein Wort«, sagte Philippa. »Mr Sacstroker ist doch ein Marid. Und Dr. Sacstroker auch.«
»Ja, das ist richtig«, bestätigte Nimrod. »Aber es gibt ein Problem. Ein großes Problem. Besonders für Dybbuk. Mr Sacstroker ist nicht sein Vater. Das hat er selbst erst vor relativ kurzer Zeit herausgefunden. Und das ist auch der Grund, warum er und seine Frau nicht mehr zusammenleben.«
»Willst du damit sagen, dass Dybbuk zur Hälfte Marid und zur Hälfte Ifrit ist?«, fragte John.
Nimrod nickte. »Leider ja, John. Es steckt Gutes in Dybbuk. Aber auch Schlechtes. Und das sieht er, wenn
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