Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi
Stelle, an der die 77 th Street auf die Fifth Avenue trifft, die das östliche Ende des Central Parks darstellt.
Albatrosse sind in New York ein seltener Anblick, daher machte ein ornithologisch interessiertes Elternpaar seine gleichgültigenKinder auf den »Sturmvogel« aufmerksam. Doch Mrs Gaunt kümmerte sich nicht weiter um sie. Sobald sie sich von ihrem Purzelbaum erholt hatte, verließ ihr Geist den Körper des Albatros, den sie wieder sich selbst überließ, und schwebte geradewegs nach Hause. Durch die altbekannte Straße. Über die Madison Avenue hinweg. Vorbei am berühmten Hotel Carlyle. Wäre sie eine Ifrit gewesen, hätte sie sich unterwegs natürlich einen geeigneten menschlichen Körper besorgt. Doch die Marid waren ein Stamm, der sich in Bezug auf die Inbesitznahme von Körpern schon immer an die Regeln von Bagdad gehalten hatte. Infolgedessen war es rein geistige Materie, die durch die große schwarze Eingangstür von Nummer 7 in der East 77 th Street ins Haus schwebte.
Vieles von dem, was während ihres Aufenthalts in Iravotum in New York geschehen war, hatte ihr Faustina Sacstroker bereits erklärt. Daher wusste sie von den katastrophalen Auswirkungen ihrer Methusalem-Fessel auf ihren Ehemann, dass er von Marion Morrison gepflegt wurde und ihre Kinder sich mit Nimrod und Groanin in Italien, möglicherweise auch in China befanden.
Mr Gaunt erschien ihr zwar ein wenig älter, als sie ihn in Erinnerung hatte; doch er wirkte nicht annähernd so alt und klapprig, wie er den Kindern nach ihrer Rückkehr aus Indien vorgekommen war. Abgesehen von ein paar grauen Haaren und Altersflecken auf den Händen würde es nicht lange dauern, bis er wieder ganz der Alte war, vermutete sie.
Ein Großteil der weiteren Geschehnisse offenbarte sich ihr, als sie in den schlafenden Körper ihres Mannes einfuhr und sein Kurzzeitgedächtnis durchsuchte, um ihre Informationslückenaufzufüllen. Sie weckte ihn nicht auf, schließlich hatte sie nicht die Absicht, seine Heilung zu verzögern, indem sie ihm eröffnete, dass vieles von dem, was er an seiner Frau geliebt hatte, für immer verloren war.
Sie war beglückt zu erfahren, dass der Körper ihres Sohnes zu Hause war und auf die Rückkehr seines Geistes wartete, und entsetzt über das Schicksal, das Mr Rakshasas ereilt hatte. Als sie Mr Gaunt die Treppe hinauf in Johns Zimmer schlafwandeln ließ, fand sie die beiden. John lag auf seinem Bett und Mr Rakshasas saß in Johns Lieblingssessel.
Johns Körper fühlte sich warm an und wirkte wie jemand, der einfach schlief; bei Mr Rakshasas dagegen war es ganz anders. Die Haut des alten Dschinn war kalt und hart wie ein Stein und Mrs Gaunt war klar, dass seinem Geist etwas Gravierendes zugestoßen sein musste und dass er höchstwahrscheinlich tot war.
Seufzend ließ Mrs Gaunt ihren Mann Platz nehmen. Es betrübte sie sehr, dass sie Mr Rakshasas nie wiedersehen sollte, und ihr war klar, wie unglücklich John und Philippa sein würden, wenn sie davon erfuhren. Falls sie es nicht ohnehin schon wussten. Vielleicht waren sie sogar selbst in Gefahr. Mrs Gaunt beschloss, ihre Kinder zu suchen, sobald sie sich mit dem Problem auseinandergesetzt hatte, was sie wegen ihres fehlenden menschlichen Körpers unternehmen sollte. So kurz nach ihrer Erfahrung als Albatros war sie nicht sonderlich erpicht darauf, ein Hund, eine Katze oder irgendein anderes Tier zu werden. Ihr war jetzt noch übel davon und auch der schlechte Geschmack im Mund ihres Mannes war noch nicht verschwunden. Das lag am starken Salzgeschmack (Sturmvögel trinken Salzwasser)und den verfaulten Fischköpfen, die man von einem Hochsee-Öltanker ins Meer geworfen hatte. Sie hatte sie fressen und mehrmals wieder heraufwürgen müssen, um auf dem langen Flug über den nordamerikanischen Kontinent bei Kräften zu bleiben. Mrs Gaunt holte sich am Wasserhahn im Schlafzimmer ein Glas Wasser und trank es hastig aus.
»Warum sind Sie nicht im Bett?«
Mrs Gaunt drehte den Kopf ihres Mannes zur Tür. Es war Marion Morrison, die Dschinnpflegerin.
»Wir kennen uns noch nicht«, sagte Mrs Gaunt mit ihrer eigenen Stimme und streckte die Hand aus. »Ich bin Layla Gaunt. Ich habe mir den Körper meines Mannes nur für eine Weile geborgt, bis ich weiß, was ich wegen meines eigenen Körpers unternehmen kann. Genauer gesagt, wegen meines nicht mehr vorhandenen Körpers. Ich hatte auf der Rückreise aus dem Irak einen kleinen Unfall, wissen Sie? Mein
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