Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi
Zweifel. Doch es bestand kein Grund, warum Mrs Gaunt ihren Körper nicht weiterverwenden sollte. Überhaupt keinen. Schließlich hatte die arme Mrs Trump jetzt keine Verwendung mehr für ihn. Marion hatte recht gehabt. Das schien die perfekte Lösung für ihr Problem zu sein.
Mrs Gaunt holte tief Luft und schlug die Augen auf. Doktor Hudson erklärte seinen Medizinstudenten immer noch, dass Mrs Trumps Hirnverletzung typisch sei für jemanden, der einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf erhalten hatte, und dass sie, wenn kein Wunder geschähe, für den Rest ihres Lebens in diesem Zustand verbleiben würde. In Anbetracht der Tatsache, dass durch das massenhafte Auftreten von Hirnschlägen bei Kindern die Mittel in der Neurologie zurzeit äußerst knapp seien, wäre es vielleicht das Beste, die lebenserhaltenden Geräte einfach abzuschalten.
»Und an Wunder glaube ich nicht«, erklärte er. »Sie passieren einfach nicht. Wir haben bei dieser Patientin alles versucht. Aber die goldene Regel der modernen Neurologie lautet, dass man erkennen muss, wann man mit dem Kopf nur noch gegen dieWand rennt.« Er lächelte entschuldigend. »Wenn Sie mir diese Ausdrucksweise nachsehen wollen. Es gibt einen Zeitpunkt, an dem man zugeben muss, dass man gescheitert ist und dass es sich um einen hoffnungslosen Fall handelt. Dann wäscht man sich die Hände und kümmert sich um den nächsten Patienten. An denen es uns, dank Jonathan Tarot, nicht mangelt.«
»Sir«, sagte einer der Studenten. »Ich glaube, die Patientin ist wach.«
»Was?«
»Die Patientin, Sir. Sie ist bei Bewusstsein.«
Doktor Hudson fuhr herum und sah, dass sein »hoffnungsloser Fall« ihn anlächelte. Mrs Gaunt fand es ganz amüsant, mit anzusehen, wie dem Mann die Kinnlade herunterfiel.
»Sie sind wach«, stammelte der verblüffte Doktor Hudson.
Mrs Gaunt fiel das Schlucken ein wenig schwer, weil ihre Kehle völlig ausgetrocknet war, deshalb flüsterte sie: »Geben Sie mir einen Schluck Wasser. Ich habe ziemlichen Durst.«
»Sie sind bei Bewusstsein«, sagte er, während er ihr das Wasser reichte und die Hälfte davon vor Aufregung verschüttete. »Aber das ist unmöglich.«
»Das glauben Sie«, sagte Mrs Gaunt und trank das Wasser. »Und jetzt geben Sie mir meinen Morgenmantel. Ich möchte aufstehen.«
»Aber das geht nicht«, stotterte der Arzt. »Sie müssen im Bett bleiben. Wir müssen einige Tests durchführen. Ihre Muskeln sind geschwächt. Sie dürfen das nicht.«
»Mumpitz«, sagte Mrs Gaunt und stand auf.
»Aber Sie sind immer noch krank«, protestierte Doktor Hudson. »Äh, das heißt, Sie müssen sich gedulden.«
»Oh, ich bin außerordentlich geduldig«, sagte Mrs Gaunt. Einer der Assistenzärzte reichte ihr den Morgenmantel. »Vorausgesetzt, ich bekomme meinen Willen.«
Und den bekam sie natürlich.
Als Philippa etwa zehn Stunden später in Xian landete, stellte sie der Einsatz der goldenen Tafel vor ein Problem, das sie als intelligenter Mensch hätte vorhersehen müssen, wie sie fand. Denn es war eine Sache, einen Befehl zu erteilen, aber eine ganz andere, ihn auch verständlich zu machen. Das Problem war schlicht und einfach, dass Philippa kein Chinesisch sprach und daher ihre Befehle auf Englisch erteilte, die in China nicht verstanden und deshalb auch nicht ausgeführt werden konnten. Der Taxifahrer am Flughafen hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Selbst als sie ihm die Tafel direkt unter die Nase hielt und ihm befahl, sie zum »Wunderbarsten Hotel von Xian« zu fahren, sah er sie weiter verständnislos an und schüttelte den Kopf. Erst als sie ihm die Hoteladresse in chinesischer Schrift zeigte, konnte er sie zu ihrem Ziel bringen.
Nur gut, dass sie die goldene Tafel Nimrod übergeben würde, der ein wenig Chinesisch sprach und dieses mithilfe seiner Dschinnkraft leicht noch etwas aufpolieren konnte, dachte sie.
Doch als sie im »Wunderbarsten Hotel von Xian« ankam und von Finlay erfuhr, dass Nimrod und Groanin in der Grube Nummer eins verschwunden waren, verließ sie der Mut. Und das umso mehr, als Finlay ihr auch noch gestand, dass sich Johns Geist auf die Suche nach ihnen gemacht hatte und ebenfalls nicht zurückgekehrt war.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte sie. »Was bringt es uns,eine goldene Tafel zu besitzen, wenn keiner ein Wort versteht von dem, was wir sagen?«
»Wir könnten versuchen, Chinesisch zu lernen«, schlug Finlay vor.
»In einem Sprachkurs?«, sagte Philippa. »Warum
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