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Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi

Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi

Titel: Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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an, damit er noch mehr Sonne abbekam. »Seht mal. Es ist genau, wie ich dachte. Abgesehen von den vier Ecken ist das ganze Quadrat von einem Kreis umgeben. Unsere Zeichnung auf dem Boden ist noch nicht ganz fertig.«
    Er nahm die Kreide und stellte sich über das Quadrat. »Die Frage ist: Wie exakt muss der Kreis werden? Genau genommen sollte die Fläche außerhalb des Kreises ebenso groß sein wie die Fläche innerhalb des Kreises. Das würde ich normalerweise nicht ohne Kompass und Taschenrechner versuchen.« Er begann zu zeichnen. »Aber die Zeit drängt.«
    »Warum der Kreis?«, fragte John.
    »Wenn du dich an den vitruvischen Mann erinnerst, den Leonardo da Vinci gezeichnet hat«, sagte Nimrod, »haben wir es dabei mit den perfekten Proportionen eines Menschen zu tun, die natürlich die Mechanismen des Universums widerspiegeln.«
    »Natürlich«, sagte Finlay, was sarkastisch gemeint war, da er keine Ahnung hatte, wovon Nimrod sprach.
    Dieser arbeitete weiter an seinem Kreis. »Damit wollte Leonardo zwei Dinge darstellen: die materielle oder weltliche Existenz innerhalb des Quadrats und die spirituelle oder geistigeExistenz innerhalb des Kreises.« Nimrod vollendete den Kreis und richtete sich auf. »So, das müsste reichen. Tretet lieber zurück, Kinder.«
    Fast unmittelbar nachdem er mit dem Kreis fertig war, geschahen mehrere bemerkenswerte Dinge gleichzeitig. Als Erstes lösten sich sämtliche Zahlen auf. Dann schien es, als verschwänden die Kästchen des Quadrats eines nach dem anderen im Boden, wie die Tasten einer Schreibmaschine, die von einem unsichtbaren Riesenfinger hinabgedrückt werden. Die Knochen lagen einen Moment lang regungslos da, dann begannen sie zu qualmen, als würden sie erhitzt, bis man im Rauch nur noch schemenhaft erkennen konnte, dass sie sich wieder zusammensetzten. Doch dann verzog sich der Rauch allmählich und es kam ein Mann zum Vorschein, der mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Boden lag. Philippa kannte die berühmte Zeichnung von Leonardo da Vinci, von der Nimrod gesprochen hatte: Sie war auf dem Umschlag ihres Biologiebuches und auf der italienischen Eineuro-Münze abgebildet. Nur dass dieser Mann die Kleidung eines Italieners aus dem frühen vierzehnten Jahrhundert trug, noch dazu eines ziemlich wohlhabenden Italieners, wenn die seidenen Stoffe und der Pelzkragen seines Umhangs nicht täuschten. Er setzte sich auf und versuchte auf die Beine zu kommen. Und da er alt und nicht sehr gelenkig war, wollte John ihm helfen.
    »Nein«, sagte der Mann scharf. »Fass mich nicht an. Ich bin noch nicht ganz ich selbst.« Als er endlich stand, fügte er stöhnend, aber in milderem Ton hinzu: »Es ist besser, du lässt die Finger von mir, Knabe. Mein jetziger Zustand könnte dazu führen, dass du dich verletzt.« Er reckte und streckte sich einwenig, atmete aus und nickte zufrieden, während er sich im Raum umsah. Er war kein Geist, sondern ein echter, lebendiger Mensch, auch wenn auf seinem Gesicht ein Ausdruck lag, der sich am besten mit übernatürlich beschreiben lässt. Er war etwa siebzig Jahre alt, hatte einen dichten Bart und ein freundliches Gesicht. Unsicher lächelte er Finlay/​John und dann Nimrod und Philippa an. Er sog die Luft ein und nickte wieder: »Wir sind in Venedig, nicht?«
    »Ja«, sagte Nimrod.
    »Dieser Geruch«, sagte der Mann. »Einfach unverkennbar. Es geht doch nichts über Venedig.«
    »Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, sagte Nimrod. »Gestatten Sie mir, mich vorzustellen, werter Herr. Mein Name ist Nimrod. Und das ist meine Nichte, Philippa, und ihr Freund Finlay. Darüber hinaus beherbergt Finlays Körper vorübergehend auch meinen Neffen John.«
    Der Mann verbeugte sich mit großem Ernst.
    »Kinder, es ist mir eine Ehre und große Freude, euch den größten Entdecker aller Zeiten vorzustellen«, fuhr Nimrod fort. »Philippa, Finlay, John: Das ist Marco Polo.«

Zahlen

    »Hast du diese Zuschauerzahlen gesehen?« Ein Blatt Papier durch die Luft schwenkend, betrat Adam Apollonius Jonathan Tarots Penthouse-Suite im New Yorker Hotel Cimento dell’Armonia.
    Es war elf Uhr morgens, aber Jonathan lag noch im Bett. Das Tolle an seinem neuen Leben war, dass niemand ihm mehr vorschrieb, morgens aufzustehen oder zu duschen, ein sauberes T-Shirt anzuziehen oder wie viel er zum Frühstück essen durfte. Er ging spät zu Bett, hatte einen Plasmafernseher in seinem Zimmer und bestellte beim Zimmerservice, was immer er wollte. Er hatte sogar eine eigene

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