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Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Titel: Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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kann nur jemand mit einem guten Herzen ahnen, wie furchtbar es sein muss, wenn man gezwungenermaßen ein hartes Herz bekommt.« Er machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Was aber für Mimi keinesfalls ein Problem sein dürfte.«
    John zuckte die Schultern. Er war nicht ganz sicher, ob er Mr   Rakshasas verstanden hatte, aber das war nichts Ungewöhnliches. »Sie wird schon rechtzeitig jemand Geeignetes finden«, sagte er.
    »Hätte sie noch viel Zeit, würde sie wohl besser schlafen, so möchte ich es mal sagen. Natürlich braucht man den Wind nicht zu fürchten, wenn man seine Heuballen festgezurrt hat. Aber wenn nicht   …« Mr   Rakshasas schüttelte den Kopf. »Und je älter sie wird, desto weniger Zeit bleibt ihr und desto härter wird ihr Herz. Deshalb wiederum fallen ihre Entscheidungen immer strenger aus, was für uns alle ein Risiko bedeutet. Iblis, der Arme, hat es am eigenen Leib erfahren.«
    »Ich verstehe«, sagte John.
    »Nein, du verstehst nicht«, sagte Mr   Rakshasas. »Wir Dschinn wissen – genau wie die Menschen   –, dass wir sterben werden. Dieses Wissen unterscheidet uns von den Tieren. Das und die Sprache. Und dass wir uns bekleiden. Und vielleicht noch ein, zwei andere Dinge. Aber wir wissen, dass wir sterben werden. Wir wissen nur nicht wann, und das ist ein Trost und ein Segen für uns. Der Blaue Dschinn dagegen weiß genau, wann ihre Lebensspanne zu Ende geht. Das ist einer der Gründe, warum sie so hartherzig wird. Zumindest vermutet man das allgemein. Was in ihrem geheimen Palast in Babylon vor sich geht, ist uns zum größten Teil ein Rätsel. Selbst mir.«
    »Wie schrecklich«, sagte John. »Ich meine, genau zu wissen, wann man sterben muss.«
    »Freilich. Wenn der Himmel einstürzt, greift jeder nach einem Strohhalm.«
    »Kann sein«, sagte John, obwohl er keine Ahnung hatte, was das nun wieder zu bedeuten hatte.
     
    Den früheren Plan, das Dschinnverso-Turnier in Chicago abzuhalten, hatte man wegen der extrem winterlichen Temperaturen dort aufgegeben. Kälte eignete sich für den Anlass zwar – sie schränkt den Gebrauch der Dschinnkräfte ein und somit auch jeden Mogelversuch beim Turnier   –, aber für die tägliche Bequemlichkeit der Dschinn war es doch zu kalt. Also fand das Turnier wie immer im berühmten Eichensaal des Hotels Algonquin statt. Es war für die Dauer von drei Tagen angesetzt, und alle sechs Stämme konnten sich daran beteiligen, gute und böse. Der Einsatz von Dschinnkräften war unter Androhung der Disqualifikation verboten. In Übereinstimmung mit der Tradition des Hotels als Treffpunkt kluger New Yorker Schriftsteller und geistreicher Schauspieler war es den Dschinn während des Turniers erlaubt – sie waren sogar ausdrücklich dazu aufgefordert   –, sich gegenseitig zu beleidigen, freilich mit Stil und in aller Höflichkeit.
    Als nun Palis, der Fußlecker, ein eher berüchtigtes Mitglied des Ifrit-Stammes, in der Tür zum Eichensaal mit Nimrod zusammenprallte, war seine erste Reaktion natürlich eine abschätzige Bemerkung. »Ah, da bist du ja, Nimrod«, sagte er. »Der beste Freund des Menschen. Wuff, wuff, wuff.« Und im Nu waren die beiden Dschinn in ein Wortgefecht verwickelt, dem John mit Verwunderung lauschte.
    »Ganz der alte Palis«, erwiderte Nimrod. »Siehst aus wie ein Stück Gänsehaut auf einem Rattenrücken.«
    Palis war eine große, dünne, in Schwarz gekleidete Gestalt,die sich glatt und schmierig wie Maschinenöl durchs Leben mogelte. Seine Haut war totenbleich und seine Augen glichen dem Wasser eines tiefen Brunnens. Ab und zu schnellte seine überlange Zunge aus dem Mund wie ein großer Aal, wie um den Geschmack der Luft zu erkunden. John wusste, dass Palis eine Art Dschinn-Vampir war und dass seine Zunge nach Menschenblut suchte. Sein erschreckender Anblick übte eine unangenehme Faszination auf John aus. Palis, der die unverhohlene Neugier in den Blicken des jungen Dschinn spürte, sah ihn aus toten Augen an und sagte: »Was glotzt du so, du hässlicher kleiner Welpe?«
    John stählte sich innerlich und verpasste dem anderen die entsprechende Antwort: »Lieber ein hässlicher kleiner Welpe als ein tollwütiger alter Hund. Vor allem, wenn er nicht mal stubenrein ist.«
    Nimrod lachte. »Bravo, John.«
    »John heißt du also?«, höhnte Palis. »Du riechst wie ein öffentliches Klo.«
    »Mich wundert nur, dass Sie mit dieser Schlange vor der Nase überhaupt was riechen können«, sagte John. Die Sache machte ihm

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