Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
altmodisch, mein Sohn, aber ich habe gern einen Boden unter den Füßen und ein Dach über dem Kopf. Ganz zu schweigen von einer Toilette mit einer Tür und einem Hauch von Reinigungsmittel. Der Geruch nach Reinigungsmittel hat etwas Beruhigendes.«
»Wie waren Ihre Ferien in Manchester?«, fragte John.
»Abscheulich«, sagte Groanin. Er nickte respektvoll in Nimrods Richtung und wechselte das Thema. »Und wo, Sir, werden wir uns diesmal herumtreiben müssen, wenn Sie mir die Frage gestatten?«
»Istanbul«, sagte Nimrod. »Und dann Berlin.«
»Ich hasse Istanbul«, erklärte Groanin. »Ganz im Ernst. Die Stadt wimmelt von Ausländern.«
»Und Berlin, Mr Groanin?«, sagte John grinsend. Groanin schien sich nicht die Spur verändert zu haben.
»Wimmelt von Deutschen«, nuschelte er grämlich. Dann legte er sich in seinem unsichtbaren Sessel zurück und schloss bekümmert die Augen.
Als sie das Schwarze Meer erreichten, ging gerade die Sonne unter, sodass das Schwarze Meer tatsächlich schwarz aussah. Nimrods Wirbelsturm brachte sie nach Süden zu der Stelle, wo sich das Wasser aus der Bucht des Goldenen Horns mit der Bosporus-Meerenge vereinigt, und hier tauchte die markante Skyline von Istanbul mit Moscheen und Minaretten, Kuppeln und Fernsehantennen vor ihnen auf. Philippas Herz machte einen Hüpfer, als sie den ersten Blick auf diese geschichtsträchtige Stadt warf. Das muss das New York der Alten Welt gewesen sein, dachte sie.
Nimrod orientierte sich an der verkehrsreichen Galata-Brücke, steuerte den Wirbelsturm darüber hinweg und flog nach einer scharfen Linkswendung am Südufer des Goldenen Horns entlang. Als sie in den verlassenen Gärten des berühmten Topkapi-Palastes landeten, wurde es gerade dunkel – und das war gut so, denn die Türken sind ein abergläubisches Volk, und die ungewöhnliche Form ihrer Ankunft hätte vielleicht nur Angst ausgelöst. Es regnete, und zur Verwunderung der Zwillinge war es in Istanbul kalt und sogar ein bisschen winterlich. John war froh, dass er seinen pelzgefütterten Mantel trug.
»Hier arbeitet Izaak Balayaga«, sagte Nimrod und zeigte auf den Palast. »Von hier aus ist es ein knapper Kilometer zum Sirkeci-Bahnhof, wo früher der alte Orient-Express in Richtung Wien und Paris abfuhr. Im Königlichen Ungarn-Express, mit dem ihr fahren werdet, kommt man heute dem alten Orient-Express-Erlebnis am nächsten. Wir können allerdings nur bis hierher mitkommen. Das hat Izaak uns unmissverständlich zu verstehen gegeben. Weder Mr Rakshasas noch ich dürfen näher als fünfhundert Meter an den Bahnhof herankommen. Alan und Neil werden euch dorthin begleiten, ich habe ihnen den Weg erklärt.«
Alan bellte zustimmend und schnüffelte aufmerksam den Boden ab, damit er später wieder zurückfinden würde. Er war nicht scharf darauf, in Istanbul zurückgelassen zu werden.
»Danach«, sagte Nimrod, »seid ihr bis Berlin auf euch allein gestellt.« Er gab Philippa einen Umschlag. »Hier sind eure Fahrkarten. Der Zug geht genau in einer Stunde. Und damit ihr Bescheid wisst, er macht viermal planmäßig Halt, bevor er nach Berlin kommt. In Bulgarien, Transsylvanien, Budapest und Prag. An einem dieser Haltepunkte wird Izaak zu euch stoßen, aber erst, nachdem er sich versichert hat, dass ich in Berlin bin und ihr allein reist. Wenn alles gut geht, wird er im Ungarn-Express mit euch Verbindung aufnehmen und euch das Grimoire übergeben. Ich warte dann in Berlin am Bahnhof Zoo auf euch. Noch Fragen?«
»Hast du Transsylvanien gesagt?«, fragte Philippa.
»Ja. Der Zug hält dort in einer Stadt namens Sighisoara. Eine hübsche, kleine mittelalterliche Stadt auf einem Hügel. Sehr malerisch.«
»Hübsch, ich weiß nicht«, schnaubte Groanin. »Und malerisch nur, falls Sie einen alten Horrorfilm meinen. Sighisoara ist die Heimatstadt von Graf Dracula.«
»Dracula?« John schluckte hörbar.
»Du weißt doch, der Vampir.« Groanin kicherte. »Wenn ich euch einen Rat geben soll, haltet in Sighisoara euer Fenster geschlossen. Und passt auch auf, dass ihr euch nicht schneidet. Blut, versteht ihr? Sie können es meilenweit riechen.«
Nimrod warf seinem Butler einen vorwurfsvollen Blick zu, dann lächelte er John beruhigend zu. »Es gibt nichts zu befürchten«, sagte er entschieden. »Der echte Graf Dracula ist seit Jahrhunderten tot.«
»Was manche durchaus bestreiten«, grummelte Groanin.
»Außerdem«, fuhr Nimrod fort, »habt ihr ein schönes Abteil für euch. Und es gibt
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