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Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Titel: Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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als bedauere sie ihren Bruder und seine kindische Art von Humor. »Witzbold.«
    »Aber ich meine es ernst, da draußen war was!«
    »Es ist eben ein Bahnsteig. Wahrscheinlich gibt es sogar in Transsylvanien Leute, die auf Bahnsteigen stehen. Auch bei solchem Wetter.«
    »Ein total widerlicher Typ.«
    »Wenn einer unangenehm aussieht, ist er deshalb nicht automatisch ein schlechter Mensch. Musst du doch wissen.«
    »Es gibt hässliche Leute und es gibt Horrorfilme«, sagte John und zeigte zum Fenster. »Ich kenne den Unterschied, glaub mir.«
    »Was es auch war, es müsste unwahrscheinlich groß sein, um hier zum Fenster reinzuschauen«, bemerkte Philippa mit einem Blick auf den Bahnsteig. »Bestimmt um die zweieinhalb Meter.«
    Zehn Minuten vergingen, und noch immer stand der Zug. Philippa fröstelte. Allmählich kam ihr die Möglichkeit in den Sinn, Johns Gerede sei vielleicht doch kein Witz gewesen. So oder so, etwas an diesem Bahnhof machte ihr Angst. »Hoffentlich ist der Zug nicht kaputt«, sagte sie unruhig.
    John stand auf, öffnete die Abteiltür, spähte durch den verlassenen Gang und lauschte, ob sich etwas tat. Aber es gab weder etwas zu sehen noch zu hören, und so schob er die Abteiltür wieder zu. Er wollte seine Schwester nicht noch mehr verstören, als er es vielleicht schon getan hatte, aber er war sicher, dass er das Gesicht am Fenster schon einmal gesehen hatte, und sei es als Illustration in Mr   Rakshasas’ Bagdad-Regel-Kompendium.
    Früher hatte er immer geglaubt, es gäbe nur dreierlei Arten von Geschöpfen auf der Welt: Menschen, Dschinn und Engel. Aber das B.R.K. machte deutlich, dass es außerdem einen vierten Typ gab: gefallene Engel, auch Dämonen genannt. Unter allen Dämonen, von denen er gelesen hatte, war Asmodeus einer der grauenvollsten und übelsten. Es hieß, er habe drei Köpfe, einer davon ein Stierkopf, der andere ein Widderkopf. John war aber sicher, dass es der dritte Kopf war – der eines Menschenfressers mit abstoßender Fratze   –, den er, wenn auch nur für einen Moment, am Fenster gesehen hatte. Und es schien ihm sehr wahrscheinlich, dass Dämonen wie Asmodeus groß genug waren, um ins Fenster eines Eisenbahnwaggons zu blicken. Dass ein Dämon, der etwas auf sich hielt, extra eine Kiste geholt hätte, um sich draufzustellen, konnte er sich jedenfalls kaum vorstellen.
    »Ich fänd es ziemlich schrecklich, wenn wir über Nacht hierfestsitzen würden«, sagte Philippa. »Nach dem, was Groanin über Sighisoara erzählt hat.«
    »Er hat uns doch nur aufgezogen«, sagte John.
    »Ja? Und weißt du, was das bedeutet, Bruderherz? Tock, tock, tock.«
    »Du musst das positiv sehen«, sagte John seiner Schwester zuliebe. »Wir sitzen hier in einem Erste-Klasse-Abteil. Falls am Zug was kaputt ist, haben wir hier drin alles, was wir uns wünschen können. Und vielleicht noch wichtiger: Wir haben auch nichts, was wir nicht haben wollen.«
    Noch während er sprach, gingen die restlichen Lampen im Abteil aus, der Motor der Lokomotive verstummte und bis auf das gelegentliche Aufzucken der Blitze war alles in Dunkelheit getaucht.
    »Und was sagst du jetzt?«, fragte Philippa.
    »Wasser vielleicht.« John versuchte, sich selbst gleichermaßen wie Philippa zu überzeugen. »In den Kontakten der Stromabnehmer. Dieser ganze Regen. Sie werden jemanden schicken, der es repariert. Wahrscheinlich sind sie schon dabei.«
    John öffnete das Fenster. Vorsichtig streckte er den Kopf in die kalte, feuchte Nachtluft hinaus und blickte am Zug entlang, in der Hoffnung, er könnte Leute bei der Reparatur erkennen. Stattdessen bemerkte er in einiger Entfernung eine riesenhafte Gestalt, die in Dunkelheit gehüllt am Rand einiger Bäume stand. Zuerst hoffte John, es könnte ein Denkmal eines transsylvanischen Helden sein. Aber dann gab eine Wolke den Vollmond frei, Licht fiel auf die Schienen und den Bahnhof und John spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Ererkannte die drei typischen Köpfe der Kreatur, ihren Reptilienschwanz und dann die Füße – die Füße eines gigantischen schwarzen Hahnes. Es war der Dämon, zweifellos, und er schien auf jemanden zu warten, der in den Express einsteigen wollte.
    »Kannst du was erkennen?«, fragte Philippa.
    »Nein«, sagte John. »Nichts.« Er schloss das Fenster und setzte sich, ein bemühtes, breites Grinsen im Gesicht, als sei alles in bester Ordnung. Aber im Inneren überlegte er fieberhaft, ob es nun an der Zeit sei, das Diskrimen einzusetzen, den

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