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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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vor einigen Jahren zur Verwaltungssprache erhoben worden war, und es gab auch zunehmend Leute in der Gegend, die tatsächlich Aix sagten, aber noch hatte sich die französische Form des Namens nicht sonderlich durchsetzen können, nicht mal bei der Jugend, die der französischen Sprache 28
    ansonsten sehr zugetan war. Aber ob Ais oder Aix –die Fahrt in die große Stadt war natürlich eine Gelegenheit. Der Aktionsradius der Familie Castelblanc war im Allgemeinen auf das Gebiet zwischen dem kleinen Luberoun und Vaucluso beschränkt, man kam selten weiter als bis Roubioun im Westen und Buous im Osten. Hier befand sich der Freundes-und Bekanntenkreis, und Frederi de Castelblanc gehörte zu den Bodenständigen im Lande, die es nicht in die großen Städte zog und schon gar nicht zu so exotischen Orten wie Rom oder Augsburg oder wohin man sonst zur Zeit reiste. Am allerwenigsten nach Paris, womit Frederi sich in die Gruppe jener provenzalischen Landadligen einreihte, die es in Anbetracht der momentanen Neigung des Königs zu Kriegszügen für ratsamer hielten, ihn nicht zu sehr daran zu erinnern, dass es sie gab – sehr zum Ärger der jüngeren Generation, die Paris merveilleux und Kriegszüge grandiose fand und am liebsten gleich selbst gegen die Kaiserlichen ins Feld gerannt wäre, wenn die Herren Papas sich schon feige am heimischen Herd verkrochen.
    Nun war Frederi de Castelblanc mit seiner Einstellung bestimmt nicht allein, und kaum einer der jungen Adligen aus der Umgebung konnte mit beeindruckenden Geschichten über abenteuerliche Fernreisen aufwarten. Doch mit Ais war es freilich etwas anderes. Die besser gestellten der ortsansässigen Landadligen besaßen ein Haus in der Stadt und pflegten jeden Sommer einige Wochen dort zu verbringen, schon aufgrund der zahlreichen Festivitäten und gesellschaftlichen Großereignisse, die in dieser Zeit dort stattfanden und an denen teilzunehmen nicht nur ein Vergnügen, sondern einfach ein Muss war. Dass die Familie Castelblanc sich dieser Mode seit Jahren erfolgreich widersetzte, obwohl die Aubans, Familie der Dame Castelblanc, dort ein Stadthaus besaßen, wurde mit einem gewissen Unverständnis beobachtet. Dabei war die Dame Castelblanc einer Reise in die Stadt in keiner Weise abgeneigt; sie, die in Ais geboren und aufgewachsen war, litt sehr darunter, ihr Leben im hintersten Winkel der Provinz verbringen zu müssen, unter Menschen, die trotz ihres adligen Namens und ihres uralten Stammbaums im Grunde nicht mehr als Großbauern waren, verarmte Großbauern dazu, die in ihren groben Sitten, ihrer ungehobelten Sprache und ihrer Interesselosigkeit für alles, was 29
    die Grenze ihrer paar Äcker überschritt, vom Hof in Paris weiter entfernt waren als ein Kalb vom Mond.
    Es war der Cavalié de Castelblanc, der sich stets gegen eine Reise nach Ais gesperrt hatte. Er war hier aufgewachsen, in der Abgeschiedenheit der Berge und hatte nur in seiner Jugend ein paar wenige Jahre in der Stadt verbracht, und offensichtlich reichte ihm das für ein Leben. Wir können doch nicht ewig hier in der Provinz versauern, pflegte die Dame Castelblanc zu jammern, und – ein Argument, das sie in den letzten zwei Jahren zunehmend häufiger angebracht hatte – sollen meine Töchter mal einen armseligen Landjunker oder einen unserer Nachbarn heiraten? Und der Cavalié pflegte zu antworten, sie wisse doch, was man mit einer Fahrt nach Ais riskiere, vermutlich dachte er an Raubgesindel, das einem auf dem Weg auflauern könnte. Und während die Großmutter und der Rest der Familie Auban in regelmäßigen Abständen von ein bis zwei Jahren Castelblanc aufsuchte, blieb für Fabiou und seine Geschwister ihre Geburtsstadt Ais ein ferner und unerreichbarer Traum. Dieses Jahr war es anders. So groß die Abneigung des Cavaliés de Castelblanc gegen die Stadt war, auch er musste allmählich einsehen, dass seine Stieftöchter das heiratsfähige Alter erreicht hatten. Das Problem war nicht nur, dass die lukrativeren Verbindungen auf den Festivitäten in Ais geschlossen wurden und nicht auf irgendwelchen kleinen Feierlichkeiten im Luberoun. Bei aller Mühe, die sich die Dame Castelblanc bei der Erziehung ihrer Kinder gab, hatte sie nicht verhindern können, dass die wenig höfischen Sitten der Umgebung auf die jungen Leute abfärbten. Bei Fabiou mochte das nicht so schlimm sein, einem Mann sah man ein gewisses ungeschliffenes Benehmen eher nach. Doch ein Mädchen musste ein schickliches Verhalten an den Tag

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