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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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sprichst, das ist ja ekelhaft!», zischte Catarino angewidert.
    Frederi legte das Messer beiseite. «Und? Was hast du für eine Entschuldigung für deine Verspätung?»
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    «Ich habe gedichtet. Entschuldigt bitte, dass ich darüber die Zeit vergessen habe», erklärte Fabiou würdevoll.
    «Er war wieder auf diesem Dach! Ich sterbe jedesmal vor Angst, wenn er das tut!», jammerte die Dame des Hauses.
    Frederi seufzte tief. «Findest du nicht, dass sich ein fünfzehnjähriger Junge mit vernünftigeren Dingen als dieser Gedichteschreibselei beschäftigen sollte?», fragte er.
    «Ronsard hat mit fünfzehn sicher auch Gedichte geschrieben», widersprach Fabiou.
    «Komm mir nicht schon wieder mit diesem Ronsard! Gott, du bist der Erbe von Bèufort! In ein paar Jahren bist du für die Ländereien deines Vaters verantwortlich! Willst du dein Erbe über deine Dichterei zugrunde gehen lassen oder was?»
    «Nein, aber…»
    «Nichts aber! Ich bin diese ewigen Diskussionen leid! Ich habe deinem Vater auf dem Totenbett geschworen, mich deiner anzunehmen, und ich werde dich nicht als heruntergekommenen Schreiberling enden lassen, mein Junge, verstanden? Also, iss jetzt endlich, dass wir loskommen! Und wasch dein Gesicht, bevor wir fahren, hast du gehört?»
    Der tiefe Seufzer des missachteten Genies. «Ja, Vater.»
    «Wenn wir nur schon in Bonieus wären!» Die Herrin des Hauses war bezüglich ihrer Herzenswünsche mittlerweile bescheidener geworden. «Die Vorstellung, mutterseelenallein hier des Weges zu ziehen… bei allem, was heutzutage immer passiert… die Barouno de Buous hat mir erst kürzlich von einem Kaufmann erzählt, der mit einem Gefolge von immerhin 15 Mann durch den Luberoun gereist ist, und in der Coumbo wurden sie von einer Bande Raubgesindel überfallen und allesamt niedergemetzelt. Keine drei Wochen ist das her, gütiger Gott! Und wir, wir haben nicht mal einen ordentlichen Geleitschutz, die paar Diener, Jesus, wenn das nur gut geht!»
    «Haben die die auch aufgeschlitzt?», fragte Frederi Jùli fasziniert.
    «Und ihnen das Herz ‘rausgeschnitten, wie in den Geschichten?»
    «Jesus, Kind, was redest du nur für unmögliches Zeug daher?», rief die Dame Castelblanc entsetzt.
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    «Blödsinn. Kein Räuber würde sich die Zeit nehmen, dir das Herz
    ‘rauszuschneiden», sagte Fabiou kopfschüttelnd. «Was hat er denn davon? Der nimmt sich dein Gold und macht, dass er wegkommt.»
    «Ich finde nicht, dass das ein geeignetes Gesprächsthema für eine Mahlzeit ist», erklärte der Cavalié de Castelblanc eisig.
    «Cristino, was ist eigentlich los mit dir?» Madalenos Blick war auf den unberührten Teller ihrer zweiten Tochter gefallen. «Warum isst du denn nicht?»
    «Ich habe keinen Appetit», murmelte das Mädchen.
    «Ach, das verstehe ich gut», rief die Hausherrin aus. «Ich kann jetzt auch nichts essen. Diese Aufregung. Aber das kommt schon, Kind. Spätestens heute Abend in Ais, da wird dein Appetit wieder erwachen.»
    «Ja, Mama», murmelte Cristino und kämpfte mit den Tränen. Dann wich sämtliches Blut aus ihrem Gesicht, denn Frederi Jùli feixte sie an, und seine cremeverschmierten Lippen formten Arman-de-Mau-vent. Die Mutter war zu aufgeregt, es zu bemerken, und der Cavalié zu intensiv mit seinem Braten beschäftigt, aber dennoch wünschte sich Cristino, im Erdboden versinken zu können. Daran änderten auch die tröstenden Worte nichts, die ihr ihre Zwillingsschwester zuflüsterte – «Ich drehe diesem kleinen Türenhorcher den Hals um, Cristino, ich versprech’s dir!» Cristino wischte sich verstohlen die Augen und dachte voll Selbstmitleid, dass dies in der Tat der schrecklichste Tag ihres Lebens war. Und er wurde nicht besser.
    Um zehn Uhr schließlich – «Ich habe gewusst, dass wir es nicht schaffen», sagte die Dame Castelblanc – war die Gesellschaft reisefähig. Die Truhen waren auf die Pferdekarren geladen, festgezurrt und mit einer Plane abgedeckt, die Diener hatten auf den Böcken oder auf dem Rückbrett Platz genommen oder standen vor der Kutsche bereit, um den Herrschaften beim Einsteigen behilflich zu sein. Bardou, der Kutscher, erklomm den Kutschbock. Er war ein Fels in der Brandung, eine unfassbare Ruhe ging von seinem herben, wettergegerbten Gesicht aus, über das die breite Krempe des Lederhutes einen tiefen Schatten warf, die Hände, um die die Zügel geschlungen waren, ruhten locker in seinem Schoß. Ruhig sprach er auf die Tiere ein, die mittlerweile fast ebenso nervös waren

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