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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Wahrheit, nein, wie süß. – Kommt, mein Junge, geht nach Hause! Die Wahrheit! Ha!»
    Na, warte, so leicht lasse ich mich nicht abspeisen! «Denkt Ihr, Bossard war auch an der Umsetzung des Arrêt de Mérindol beteiligt?», rief Fabiou. «Könnte sein Mörder auch aus dieser Richtung kommen?»
    Piqueu seufzte und zuckte mit den Achseln. «Ich weiß es nicht. Wenn er es nicht war, hat er sicher laut Beifall geklatscht. Ich habe auch keine Lust, mich näher mit solchen Fragen zu beschäftigen. Sonst müsste ich mir Gedanken darüber machen, wer für den Tod meines Bruders verantwortlich ist, und dann würde höchstwahrscheinlich ich in absehbarer Zeit einen Mord begehen – zumal der 359
    Hauptschuldige ja nur ein paar Häuser weiter wohnt. Sonst noch Fragen? Ich habe nämlich noch zu tun.»
    «Ja. Warum trug Euer Bruder so einen komischen Namen?
    – Mouche! Das klingt nicht gerade jüdisch. Das klingt nach überhaupt nichts!»
    «Mein Bruder hieß in Wirklichkeit Mouïses, aber Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass man mit so einem Namen Geschäfte machen könnte!», erklärte Piqueu, wobei er ziemlich unwillig die Augen verdrehte. «Das gleiche gilt für mich, mein wirklicher Name ist Levi. So, und nun Adiéu, Senher. Da ist die Tür.»
    «Baroun!», fauchte Fabiou, als er sich umdrehte. «Baroun Fabiou Kermanach de Bèufort!» Er stapfte mit wütenden Schritten auf die Tür zu.
    «Mo… Moment mal.» Fabiou drehte sich um. Louis Piqueu stand vor dem Schreibtisch, sein Gesicht hatte plötzlich ein bisschen an Farbe verloren, und der spöttisch-verärgerte Ausdruck war aus seinen Zügen verschwunden. «Kermanach de Bèufort, sagtet Ihr?»
    «Ja, wieso?»
    «Oh… hab’ den Namen schon mal gehört… ist lang her…»
    «Mein Vater?», rief Fabiou aufgeregt. «Habt Ihr meinen Vater gekannt?»
    «Hm… ich bin mir nicht sicher…» Piqueu holte tief Luft. «Ich könnte ja mal einen Blick in die Bücher meines Bruders werfen
    – wegen Utopia…»
    Fabiou schluckte und nickte heftig.
    Piqueu schloss einen Sekretär auf und entnahm ihm ein in dunkles Leder gebundenes Buch. «Hier», sagte er. «1542, Sonderdrucke.» Er blätterte durch die Pergamentseiten. «Bibel, Bibel, Bibel, Aristoteles, Cicero, Dante… da! Morus, Utopia. Wurde in diesem Jahr nur einmal angefertigt. – He, das ist ja seltsam!»
    «Was?» Neugierig trat Fabiou näher.
    «Der Preis.» Louis Piqueus rechter Zeigefinger lag auf einer Zahl in der Mitte der Seite. «Zwanzig Ecu. Für zwanzig Ecu bekommt man im Normalfall nicht einmal einen Seriendruck dieser Größenordnung, das bringt ja kaum die Materialkosten wieder ein.»
    «Und wer war der Käufer?», fragte Fabiou aufgeregt und kramte nach seinem Notizbüchlein.
    360
    «Lasst mich sehen…» Piqueus Finger glitt über die Seite und hielt auf dem Namen in der Spalte ganz rechts inne. Und erstarrte dort. «Oh mein Gott», flüsterte er kaum hörbar.
    «Wer?», fragte Fabiou atemlos.
    Louis Piqueus Gesicht war ziemlich käsig, als er den Kopf hob.
    «Maynier d’Oppède», krächzte er. «Der Käufer war Maynier d’Oppède!»
    ***
    Als Crestin, der Viguié von Ais, über den Gang in Richtung seiner Amtsstube stürzte, hörte er schon von weitem das Schlagen von Schranktüren und das aufgeregte Gezeter des Schreibers, der etwas brüllte wie, Mèstre, das könnt Ihr nicht tun, nur über meine Leiche! Crestin, für dessen Geschmack es in den letzten Tagen bereits genug Leichen gegeben hatte, beschleunigte seinen Schritt weiter. Himmel, das versprach ein äußerst unerfreulicher Nachmittag zu werden!
    Laballefraou, der oberste Arquié, erwartete ihn an der Eingangstür. «Ein Glück, dass Ihr kommt», sagte er. Sein Gesicht wirkte besorgt. «Das Parlament hat uns eine Laus in den Pelz gesetzt. Eine sehr bissige Laus.»
    «Vascarvié?» Crestin verzog den Mund.
    « Exactément .»
    «Na, gute Nacht.» Crestin seufzte tief und verzweifelt und stieß
    die Tür auf. «Docteur Vascarvié, darf ich fragen, was Ihr da tut?»
    Die Szenerie benötigte eigentlich keine Erklärung. Docteur Vascarvié, ein hagerer Herr um die fünfzig mit einer erstaunlich großen Nase und höchstens drei Haaren auf dem hohen Schädel, lehnte am Fenster und dirigierte mit seinen knochigen Fingern drei Gerichtsdiener, die damit beschäftigt waren, Schubladen aufzureißen und die darin befindlichen Akten zu durchwühlen. Der Schreibtisch und zwei Stühle waren bereits mit ziemlich achtlos daraufgeworfenen Papieren bedeckt.
    «Was

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