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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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seufzte Fabiou zum aberhundertsten Mal. «Es macht keinen Sinn. Nichts macht einen Sinn. Warum hat Maynier einen Sonderdruck von Utopia gekauft? Warum hat er ihn zu einem Spottpreis bekommen? Und warum schenkt er ihn dann der Universität? Hat er diese Widmung hineingeschrieben, und wenn ja, was bedeutet sie dann?»
    Loís zuckte mit den Achseln. «Fragt ihn.»
    «Witzbold. Habe ich versucht. Leichter kriegt man eine Audienz beim Papst, als dass der Erste Parlamentspräsident sich herablässt, einen zu empfangen!», knurrte Fabiou.
    «Ich finde das alles gar nicht so unsinnig», meinte Loís, während er fortfuhr, das Pferd zu striegeln. «Was spricht dagegen, dass Maynier sich einen Sonderdruck von Utopia zulegt?» Die freizügige Art, mit der Loís Fabiou widersprach, hätte einen Außenstehenden sicher befremdet, war aber eine natürliche Folge der langjährigen Freundschaft, die sie verband.
    «Na, er ist nicht gerade, was man als einen Utopisten bezeichnet», entgegnete Fabiou. Loís zuckte mit den Achseln. «Er ist ein strenggläubiger Katholik. Thomas Morus war ein strenggläubiger Katholik, sogar ein Märtyrer seines Glaubens, der sich lieber hinrichten ließ, als dem Katholizismus abzuschwören. Das passt doch.»
    Fabiou betrachtete Loís nachdenklich. Er wusste, dass der Pferdeknecht für einen Diener eine erstaunliche Bildung besaß, aber in solchen Momenten überraschte er sogar ihn. Bruder Antonius hatte damals, während seiner Zeit in Castelblanc, um die Erlaubnis gebeten, in seiner Freizeit die Kinder der Dienerschaft in Lesen und Schreiben und ein bisschen Latein zu unterrichten, ein Vorschlag, der sowohl bei der Dame Castelblanc als auch bei einem Großteil besagter Dienerschaft auf ausgesprochenes Unverständnis stieß. Doch der Cavalié hatte nichts dagegen gehabt, und ausgerechnet Loís, der grobschlächtige, stämmige Sohn des Kutschers, hatte sich als Bruder Antonius’ gelehrsamster und wissensdurstigster Schüler entpuppt. Ein Wissensdurst, der Antonius’ Zeit im Luberoun 364
    überdauerte. Noch heute bat Loís Fabiou regelmäßig um Bücher zu allen erdenkbaren Themen, und während die anderen jungen Dienstboten ihre freien Abende in der Schenke und mit mehr oder weniger ordentlichen Frauenzimmern verbrachten, saß Loís beim Schein eines Kienspans in der Kammer, die er mit seiner Familie teilte, und las. Sehr zum Ärger seines Vaters, der nichts vom Lerneifer seines Sohnes hielt. Wozu soll unsereiner das brauchen, pflegte er zu sagen, unnützes Zeug ist das, du bist kein Bürgerssohn, der so etwas nötig hat!
    «Trotzdem», sagte Fabiou. «Utopia – das ist das freidenkerische Buch schlechthin. Und Maynier ist ja wohl der Letzte, den man einen Freidenker nennen kann. Dem traue ich eher zu, dass er einen vor Gericht schleift, wenn man so ein Buch in seinem Besitz hat.»
    Jean Maynier sank derzeit stündlich in Fabious Achtung.
    «Nun, vielleicht hat er es sich gekauft, weil er sich eine persönliche Meinung über das Buch bilden wollte. Und der Preis – na ja, ich glaube, wenn der Gerichtspräsident sagt, er möchte einen Sonderdruck für den Preis von zwanzig Ecu, dann kann man schlecht nein sagen. Zumal wenn man Jude ist», meinte Loís. «Im Übrigen habt Ihr eines vergessen – Maynier hat das Buch nicht der Universität geschenkt, sondern jenem Magister Morus, wer immer das ist.»
    «Selbst wenn du recht hast – es bringt uns alles nicht einen Schritt weiter!», stöhnte Fabiou. «Wir wissen nicht, von wem die seltsame Widmung stammt, wir wissen nicht, für wen die seltsamen Namen stehen, wir wissen nicht, was Ingelfinger in diesem Buch gesucht hat, und vor allem wissen wir nicht, was das ganze mit dem Mord an Trostett zu tun hat. Wahrscheinlich gar nichts. Oh, Loís, es ist zum Verzweifeln!»
    «Beruhigt Euch, Baroun. Ihr habt doch immerhin eine Menge herausgefunden», widersprach Loís. «Das mit dem jungen Nicoulau, das ist doch eine vernünftige Erklärung für die Morde und erklärt, warum bei allen Leichen Santonou geschrieben stand.»
    «Aber dieses Schriftstück von Trostett ist noch genauso rätselhaft wie vorher», rief Fabiou. «Wofür hat Trostett sich geopfert?
    Und was ist mit dem Verrat und jenem furchtbaren Verbrechen gemeint?»
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    «Nun, vielleicht der Mord an Degrelho. Das würde doch Sinn machen.»
    «‹Eine Generation, verkauft für ein paar Silberlinge, ein Volk für ein paar Morgen Land›», zitierte Fabiou. «Jesus, das passt nicht zu einer ermordeten

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