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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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dringend Informationen darüber.» Bestimmte persönliche Gründe, klingt doch gut!
    «So.» Mèstre Piqueu der Jüngere zwinkerte ihm zu. «Die Sachlage ist also komplizierter. Kleinen Moment. – Jousè, Ruth ist soweit bestückt, komm ‘rüber und hilf!» Er warf Fabiou, der große Augen machte, einen entschuldigenden Blick zu. «Sie tragen alle Frauennamen, meine Pressen», erklärte er. «Weil sie genauso laut, genauso anstrengend und genauso launisch wie Weibsbilder sind. Das da drüben ist Ruth, daneben Esther, die da heißt Lea, das ist Rebecca und das Rahel. Und das hier» – er tätschelte die Druckmaschine, die ihm am nähesten Stand – «ist mein Glanzstück. Delilah, die schöne Delilah, die beste Presse von Ais und dem ganzen Süden!»
    Fabiou betrachtete das eiserne Ungetüm zweifelnd und überlegte, was man an diesem Verhau aus Ösen und Schrauben schön finden konnte. Eine Holztafel zierte das obere Ende von Delilahs Gewinde. 355
    ‹Tötet Gutenberg› stand in roten Lettern dort geschrieben. «Was habt Ihr denn gegen Gutenberg?», fragte Fabiou frech. «Ohne ihn müsstet Ihr Euch als Bettler durchschlagen, oder etwa nicht?»
    «Pah – vor Gutenberg war das Buchmacherhandwerk noch ein sicheres Geschäft», behauptete Piqueu, während er seine Gäste wieder durch die Tür in den Vorraum dirigierte. «Man brauchte Leder, Pergament, eine Feder und Tinte, und der Broterwerb war einem sicher. Heute reicht ein verrostetes Rädchen an einer Presse, und ein Druck von hundert Büchern geht in die Hose. Auftrag verpatzt, Auftraggeber sauer, Pleite steht ins Haus. Ich sage Euch, als mein Urgroßvater selig sein Brot mit Bücherschreiben verdiente
    – das waren goldene Zeiten!»
    Die Tür zum Druckraum fiel ins Schloss und verschluckte den Lärm. Maunzend strich der rote Kater um die Türpfosten. «Also, Senher.» Piqueu lehnte sich gegen einen Tisch und verschränkte die Arme. «Um was für ein Buch geht es?»
    «Thomas Morus, Utopia», antwortete Fabiou. «In der Ausgabe von 1542.»
    «1542? Es gibt keine Ausgabe von 1542. Das Buch ist bei uns das letzte Mal 1539 in Druck gegangen», meinte Piqueu bestimmt.
    «Ich habe aber ganz sicher eine Ausgabe gesehen, die die Jahreszahl 1542 trug!», insistierte Fabiou.
    «Dann war es ein Sonderdruck», meinte Piqueu, und erklärend fügte er hinzu: «Das machen wir manchmal, für zahlungskräftige Kunden. Wenn die Drucksätze noch existieren und ein Kunde eine Sonderanfertigung wünscht, bekommt er sie. Preis etwa das Zehnfache des Seriendrucks.»
    Sonderdruck. Ja, genau so hat das Buch ausgesehen. Aber wer schenkt ein Buch dieser Preislage der Universität?
    «Gibt es eine Möglichkeit festzustellen, wer 1542 einen Sonderdruck von Utopia in Auftrag gab?», fragte Fabiou nachdenklich.
    «Gäbe es natürlich schon. Bloß…»
    «Bloß was?»
    «Könnt Ihr mir irgendeinen Grund nennen, warum ich das für Euch tun sollte?», fragte Piqueu spöttisch. «Ich weiß ja nicht mal, aus welchem Grund Ihr dies wissen wollt. Am Ende handelt es sich 356
    um irgendwelche kriminellen Geschichten. Ich habe einen guten Ruf zu wahren.»
    Fabiou schnappte nach Luft. «Ganz im Gegenteil!», rief er. «Es geht ja gerade um die Aufklärung eines Verbrechens. Den Mord an Bossard, einem ausländischen Kaufmann und einem Mönch. Dieses Exemplar von Utopia steht in irgendeinem Zusammenhang mit diesen Morden. Und ich habe diese Widmung darin gefunden!»
    Er reichte Piqueu den Zettel mit der Abschrift der Widmung. «Sagt Euch das etwas?»
    Piqueu überflog den Zettel kurz und gab ihn Fabiou zurück. «Für das, was unsere Kunden in unsere Bücher schreiben, sind wir nicht verantwortlich», meinte er. «Und was die Sache mit diesem Bossard betrifft – nun, wenn diese Antonius-Jünger ihn umgebracht haben, werden sie schon ihren Grund dafür gehabt haben. Ich für meinen Teil weine dem Herrn jedenfalls keine Träne nach. Auch wenn seinesgleichen mich in den Genuss dieses Erbes hier brachten.» Er machte eine Handbewegung in Richtung der Druckerei.
    «Seinesgleichen?», fragte Fabiou verblüfft. «Wie das?»
    «Oh, indem sie meinen Bruder am 30. April 1545 an die Pinie hängten, im Zuge der allgemeinen Säuberungsaktion, die dem Ar- rêt de Mérindol folgte.»
    Fabiou öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Erst auf den zweiten Anlauf bekam er einen zusammenhängenden Satz heraus.
    «Wieso – war Euer Bruder denn Waldenser?»
    «Viel schlimmer», sagte Piqueu trocken. «Jude.»
    «Ach…»,

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