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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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ich tue? Ich hole die Unterlagen bezüglich des Mordes an Bossard sowie der weiteren jüngsten Verbrechen der Antonius361
    Jünger ab. Befehl des Parlaments!», entgegnete Vascarvié mit einer Stimme so emotional wie hundertjähriger Aktenstaub.
    «Ach. Wie wäre es denn gewesen, mich als den mit dem Fall betrauten Beamten zuerst um Erlaubnis zu fragen?», zischte Crestin erbost.
    «Ihr seid nicht mehr der mit dem Fall betraute Beamte.» Vascarvié grinste höhnisch. Er genoss diesen Moment ganz offensichtlich. «Dies ist ein Kapitalverbrechen, und Kapitalverbrechen fallen in die Zuständigkeit des Parlaments.»
    «Der Mord an diesem Fremden auf der Route d’Avignon war auch ein Kapitalverbrechen, trotzdem hat sich keiner der Herren um den Fall gerissen», erwiderte Crestin ärgerlich. «Nur weil es einen Adligen getroffen hat, noch dazu einen aus dem erlauchten Kreis von Carcès und Maynier, schreit das Parlament plötzlich Zeter und Mordio. Ich sehe keinen Grund, nicht weiter nach den Mördern zu suchen.»
    «Oh, das sollt Ihr auch», meinte Vascarvié spöttisch. «Jede Seele in dieser Stadt ist dazu aufgerufen, an der Ergreifung dieser abscheulichen Monster von den Antonius-Jüngern mitzuwirken. Nur werdet Ihr es von nun an unter dem Oberbefehl des Parlamentes tun. Respektive unter meinem Oberbefehl als dem zuständigen Commissaire des Parlaments. – Sind das alle Akten, oder habt Ihr sonstwo noch weitere gehortet?»
    «Ihr werdet verzeihen, dass ich in den paar Stunden seit Senher Bossards Ermordung noch keinen Wandschrank voll Unterlagen zusammengetragen habe», antwortete der Viguié bissig.
    «Nun, dann macht Euch unverzüglich wieder an die Arbeit», sagte Vascarvié, während er seine mit Akten bepackten Gerichtsdiener aus dem Raum dirigierte. «Das Parlament fordert eine umgehende Aufklärung des Verbrechens. Präsident Maynier will den Mörder bis zum Ende des Monats auf der Plaço dis Jacobin sehen. Und zwar auf ein Rad geflochten!» Und mit dieser Bemerkung war er über die Schwelle und knallte die Tür hinter sich zu. Augenblicklich brach der Schreiber in Gejammer aus: «Es tut mir leid, Viguié, ich habe versucht sie aufzuhalten, aber was sollte ich denn machen…» Laballefraou stand vor der Tür und knickte einen Federkiel zwischen den Fingern seiner rechten Hand. Er be362
    trachtete seinen Vorgesetzten in einer Mischung aus Mitleid und Schuldbewusstsein.
    Crestin fegte mit einem wüsten Fluch einen Aktenstapel vom Tisch. «Dieser Mistkerl! Dieser verfluchte, arrogante Hurensohn!
    Glaubt der im Ernst, der Mörder rennt ihm in die Arme, nur weil er Jurisprudenz studiert hat?» Er setzte sich auf die freigewordene Tischkante, seine Hände zitterten vor Wut.
    «Mèstre Viguié?», fragte Laballefraou.
    «Hm?»
    «Denkt Ihr wirklich, die Morde wurden durch die AntoniusJünger begangen?»
    Crestin seufzte leise. «Ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich: wen immer die Herren vom Parlament für diese Tat verantwortlich machen – Gnade ihm Gott, wenn sie ihn in die Finger kriegen!»
    ***
    Für den Abend war eine Messe in Sant Sauvaire angesetzt, um für das Seelenheil des verblichenen Senher Bossard zu beten, und zu derselben wurde halb Ais erwartet, der Adel ebenso wie das Bürgertum. Onkel Philomenus war bereits ab dem frühen Nachmittag dabei, eine angemessene Garderobe für diesen Anlass zusammenzustellen, und Tante Eusebia und die Dame Castelblanc staffierten sich aus, als ginge es zu ihrer eigenen Beerdigung. Der Rest der Familie sah dem Ereignis eher gelassen entgegen. Sogar Frederi fand, ganz entgegen seiner sonstigen Begeisterung für die Messe, dass es Wichtigeres gab als das Bossardsche Requiem, und die Kinder waren von der Vorstellung, den Abend schon wieder in der Kirche zu verbringen, alles andere als erbaut. «Die sollen nicht so tun, als ob der König persönlich gestorben wäre», grummelte Oma Felicitas. «Soweit kommt’s noch, dass ich für diesen alten Fettwanst, der sich sowieso bis zum Ende des Jahres totgesoffen hätte, meine gute Spitze ausmotte!»
    «Mutter!», schrien Onkel Philomenus und die Dame Castelblanc wie aus einem Mund.
    Fabiou jedenfalls saß bis eine Viertelstunde vor Beginn der Messe im Pferdestall und sah Loís bei der Arbeit zu. Loís hatte eine 363
    eigene Art, mit Pferden umzugehen. Wenn er mit ihnen sprach, dann hatte man das Gefühl, sie verstanden ihn, und ein Wort von ihm genügte, das nervöseste und wildeste Tier zu beruhigen. «Ich verstehe es nicht»,

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