Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
dass sie ist?», fragte Bruder Antonius ruhig.
    «Ich glaube, sie ist der Tod», flüsterte Cristino kaum hörbar. Bruder Antonius seufzte tief und hilflos. «Kind… Jesus, Cristino, du redest dir da etwas ein! Hör mal, du bist in einem sehr, sehr empfindsamen Alter. Da kann es passieren, dass Dinge, die man hört oder sieht, einen so beeindrucken, dass sie einen bis in die tiefsten Träume hinein verfolgen. Und dir scheint es mit dieser Geschichte des alten Weibes so zu gehen. Aber, Cristino, das hat nichts damit zu tun, dass du wirklich vom Geist eines Toten besessen bist! Tote fahren nicht in die Körper von Lebenden und halten sich auch nicht in Medaillons auf! So etwas gibt es genauso wenig, wie es Dämonen gibt oder Hexen!»
    393
    «Natürlich gibt es Hexen!», rief Cristino aus. «Jeder sagt, dass es Hexen gibt! Sogar der Bischof sagt das!»
    «Es ist mir egal, wer alles sagt, dass es Hexen gibt!», erklärte Bruder Antonius. «Der Glaube an Hexerei ist dummer Aberglaube und eines Christen nicht würdig! Mein Gott, dass die Menschen in einem Jahrhundert, wo man rund um die Welt fährt und in der Lage ist, den Lauf der Gestirne zu berechnen, noch an so einen Unsinn glauben! Cristino, Vorurteile und Aberglaube treiben die Leute dazu, Menschen, die anders sind, zu verfolgen und zu vernichten!
    Diese Leute, die du Hexen nennst, sind arme, unglückliche Wesen, die dem Hass und der Verbohrtheit ihrer Mitmenschen zum Opfer gefallen sind, und sonst nichts! – So, und jetzt hör mir einmal zu, ich habe nämlich eine Idee, wie wir deine dummen Träume abstellen können.» Bruder Antonius drehte sich zum Tisch um und ergriff das Buch von Vesalius. «Ängste werden umso schlimmer, je mehr man vor ihnen davonläuft, das habe ich als Beichtvater schon oft erfahren müssen. Deswegen schlage ich vor, dass du dieses Buch nimmst und es von der ersten bis zur letzten Seite durchliest. Und ich wette, dadurch werden deine Träume verschwinden, und deine Angst vor Toten wird auch aufhören!»
    «I-i-ich weiß nicht…» Cristino wich zurück.
    «Schluss jetzt!» Bruder Antonius drückte ihr das Buch in die Hand, ungeachtet der Tatsache, dass sie Augen machte, als wäre zwischen den Buchdeckeln eine Viper versteckt. «Am besten, du fängst gleich damit an! Ach, und Cristino – zeig das Buch vielleicht nicht unbedingt deinen Eltern, die könnten es am Ende als anstößig betrachten.»
    Frederi Jùli begegnete ihr in der Tür, gebeugt unter der Last eines winzigen lateinischen Liturgie-Büchleins und mit dem Gesichtsausdruck eines zum Tode Verurteilten, der dem Henker entgegengeht. Sie überließ ihn seinem grausamen Schicksal und floh auf den Gang hinaus, das ominöse Buch so weit es ging von sich weggestreckt. Catarino war glücklicherweise nicht mehr da, als sie ihr Zimmer erreichte, sie ließ das Buch auf die Kommode fallen und zog sich hastig in die entgegengesetzte Ecke des Zimmers zurück, wo sie sich schweratmend aufs Bett setzte. 394
    Eine ganze Weile saß sie dort, dann stand sie zögernd auf und lief zur Kommode zurück.
    Langsam blätterte sie wieder durch die Seiten, wobei sie leise wiederholte, es sind keine Toten, nur Bilder, bis sie schließlich wieder die Seite mit dem Herz erreichte. Vorsichtig legte sie einen Finger auf das gemalte Herz und lauschte auf den Schlag ihres eigenen Herzens in der Tiefe ihrer Brust.
    Das Wunder der menschlichen Schöpfung.
    Vielleicht war das Buch ja wirklich nicht so furchtbar. Vielleicht hatte Bruder Antonius ja recht und sie bildete sich wirklich alles nur ein, das mit der Mörderin – und den Toten. Und dem Mädchen mit den schwarzen Haaren.
    ***
    «Und ich will Zuckerkringel, und kandierte Früchte, ja, Mama?»
    «Frederi, wie oft soll ich dir noch sagen, man isst nichts, was auf einem Marktstand feilgeboten wird! Man weiß nie, wie diese Leute das zubereitet haben und wo sie ihre dreckigen Finger sonst noch drin gehabt haben. Wenn du Zuckerzeug möchtest, dann lass es dir von Suso zubereiten!», erklärte die Dame Castelblanc entschieden.
    «Da schmeckt es aber nicht so gut!», widersprach Frederi Jùli und zog einen Schmollmund.
    «Jetzt lass ihn doch ein paar kandierte Früchte essen, das wird ihn ja wohl kaum umbringen!», nörgelte Oma Felicitas.
    «Mischt Euch bitte nicht in die Erziehung meiner Kinder ein, Mutter!», fauchte die Dame Castelblanc und zerrte ihren Sohn an ihre Seite.
    «Ich will auch kandierte Früchte und alles, und zwar doppelt so viel wie Frederi!»,

Weitere Kostenlose Bücher