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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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blitzend die Augen. Bernsteinaugen. Katzenaugen.
    «Oooooh!» Frederi Jùli drängelte sich nach vorne. Der junge Gaukler stand auf den Schultern des Hünen, ihm gegenüber ein weiterer Akrobat, und sie waren damit beschäftigt, sich gegenseitig brennende Fackeln zuzuwerfen, während sie 397
    gleichzeitig mit je vier weiteren brennenden Fackeln jonglierten. Die Fackeln beschrieben einen Kreis über den Köpfen und einen Bogen in der Luft, bevor sie sich erneut in den Kreis einreihten. Dann, aus heiterem Himmel, drückte der junge Mann in dem roten Kostüm sich von den Schultern des Hünen ab, und mit einem Salto flog er über den Bogen aus Flammen und stand erneut, auf den Schultern des anderen Akrobaten. Das Publikum jubelte, der junge Akrobat lachte über sein weißgeschminktes Gesicht. Nicht so die beiden anderen Gaukler, konzentriert waren ihre Gesichter, die Lippen aufeinander gepresst, seltsam aufgeblasen die Backen. Und dann sprang der Junge im roten Kostüm ein zweites Mal, und aus den Rachen der beiden anderen Akrobaten schoss zu beiden Seiten ein Feuerstrahl, über den der Junge hinwegflog wie ein Falke, und wieder stand er, lachend auf den Schultern des Hünen, seinen fleckigen Umhang in die Luft wirbelnd und wild über seinem Kopf schwenkend.
    « Di-a-ble !», hauchte Frederi Jùli ergriffen, und «Diale!», echote Maria Anno strahlend.
    «Ihr sollt nicht fluchen!», schimpfte der Cavalié.
    «Die Zukunft in den Karten!» Das alte Weib humpelte auf die Mädchen zu, einen Packen fleckige Karten in der ausgestreckten, knorrigen Hand haltend. «He, Ihr, Fräulein!» Sie winkte Cristino zu. «Ihr seht bedrückt aus. Kommt zu mir, das Tarot kann Euch helfen. Das Tarot kennt Eure geheimen Wünsche und Ängste. Das Tarot wird Euch den Weg weisen!» Sie wedelte auffordernd mit ihren Karten.
    Der junge Akrobat war auf den Boden hinabgesprungen, verbeugte sich eifrig, den Umhang wieder um die Schultern geschlungen, dass man bei jeder Verneigung die verblichenen, einstmals wohl goldenen Borten sah, und den Schuh mit den offenen Senkeln, der in die Mitte gestickt war. «Eine kleine Gabe für einen Trupp hungriger Gaukler!», rief er aus, und augenblicklich sprang eines der Mädchen vor und eilte um das Rund der Zuschauer, eine Kappe auffordernd den Leuten entgegengestreckt.
    «He, Ihr, Fräulein!» Die Alte zupfte an Cristinos Ärmel. «Ich meine es ernst. Hab’ das Gefühl, Ihr braucht meine Hilfe. Da ist et398
    was um Euch. Eine Aura.» Sie schnupperte in die Luft. «Eine Aura der Gefahr und der Trauer!»
    Oh, Himmel, das war das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte, eine alte Wahrsagerin, die ihr noch mehr Angst machte, als sie sowieso schon hatte! «Geh weg, du!», wehrte Cristino sie ab. «Ich brauche keine Hellseherei.»
    «Schade, Kindchen, schade…», murmelte die Alte. «Ihr habt eine interessante Hand, Kindchen. Die Lebenslinie… diese Verzweigungen dort… sie stehen für Möglichkeiten, Kindchen. Ihr könnt dieses Leben führen, oder jenes. Je nachdem, wie Ihr Euch entscheidet, könnt Ihr große Dinge vollbringen oder in Bedeutungslosigkeit verkommen. Eine interessante Hand, fürwahr…
    Wollt Ihr nicht doch das Tarot befragen?»
    «Schluss jetzt!» Das war Frederi, der die Alte beiseite schob.
    «Hör auf, meine Tochter mit deinem heidnischen Aberglauben zu belästigen! Verschwinde, Alte!»
    Die Alte wich zurück, und nicht nur Cristino, auch der Rest der Familie zuckte zusammen, als plötzlich ihre Hand vorschoss, zwei ausgestreckte Finger auf Cristino und den Cavalié zeigend, doch statt des erwarteten schrecklichen Fluches schrie sie nur: «Immer dasselbe mit Euch hohen Herren! Wenn Ihr unsere Dienste braucht, ja, dann sind wir gut genug für Euch, aber danach wollt Ihr nichts mehr von uns wissen! Pah!» Und sie schlurfte von dannen. Der Cavalié war kreidebleich geworden. Offenbar glaubte er sehr wohl an die Macht von Hexen.
    «Die Vorstellung ist beendet!», schrie der rotgekleidete Gauklersbursche und verneigte sich ein weiteres Mal, dass ihm sein Umhang in den Nacken rutschte. «Gehabt Euch wohl, edle Herrschaften, und beehrt uns bald wieder!» Er richtete sich wieder auf und zuckte erschrocken zurück, denn er wäre mit den Haaren beinahe an Catarinos Rockbausch hängen geblieben. Sie betrachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen. «Wie machen die das?», fragte sie.
    Der Bursche hatte augenblicklich seine Fassung wieder gefunden. «Ah, das hübsche Edelfräulein von neulich!», sagte er.

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