Die Kinder des Ketzers
pläkte Theodosius-das-Großmaul, und «Aber sicher, Schnuckelchen, alles was du willst, Schnuckelchen!», säuselte Tante Eusebia.
«Du wirst schon sehen, was du davon hast, wenn der Kleine nachher eine Magenverstimmung hat!», meckerte die Dame Castelblanc ihre Schwägerin an.
«Ich hoffe, der Kleine frisst so viele kandierte Früchte, dass er platzt!», murmelte Catarino wütend. Fabiou lachte beifällig. «Teo395
sius latzt!», meinte Maria Anno entschieden und klatschte begeistert in die Hände. Heute war Markttag in Ais, und die Damen des Hauses – Madaleno mit ihren Töchtern, Tante Eusebia und die Großmutter – waren in Begleitung von Fabiou, Frederi und Frederi Jùli sowie einer größeren Zahl an Dienstboten zum Geleitschutz und zum Tragen der Einkäufe unterwegs zur Plaço dis Erbo, auf der Suche nach einigen netten Kleinigkeiten zur Verschönerung des Daseins. Insbesondere war Tante Eusebia auf der Suche nach einem Geschenk für Schnuckelchen, das sie ihm versprochen hatte, weil er auf der Feier der Mancoun so brav gewesen war. Die Kinder hatten schon konstruktive Vorschläge gemacht – zum Beispiel eine Armbrust, die nach hinten losgeht –, doch noch war die Tante sich reichlich unschlüssig, was sie nehmen sollte. Wenn ihr wieder die halbe Stadt leer kauft, hänge ich mich auf, hatte Frederi ganz unkatholisch gedroht, was Catarino als zusätzlichen Kaufanreiz betrachtete; bereits seit sie die Carriero drecho betreten hatten, drehte sie sich nach jeder Ladentischauflage um, die zu entdecken war. Auf der Plaço dis Erbo drängten sich bereits die Marktstände und die Kaufwütigen aneinander. Es waren vor allem kulinarische Genüsse, die zum Kauf angeboten wurden, Obst, Gemüse, Kräuter, Fische und Käse, doch auch Stoffe, Kleider, Schmuck und Gebrauchsgegenstände waren an den Ständen zu finden. Cristino bearbeitete den Cavalié so lange, bis er ihr ein in roten Samt gefasstes Büchlein kaufte, wie es die feinen Damen bei Hof hatten, um dort ihre geheimen Sehnsüchte und Gedanken niederzulegen. Die alte Wahrsagerin mit den großen goldglänzenden Ohrringen hatte wieder ihren Platz an einer Mauer eingenommen, und am hinteren Ende des Platzes zeigten Gaukler ihre Künste. Fabiou verrenkte den Hals, um festzustellen, ob es die gleichen waren wie das letzte Mal.
Tante Eusebia entdeckte eine Schmuckdose aus Perlmutt, die sie zu einer ganzen Salve von Ahhs und Ohhs verleitete, doch außer ihrer Schwägerin konnte sich niemand dafür begeistern, die Großmutter fand die Dose abgrundtief hässlich und die Mädchen absolut unmodern. «Mama, ich will mir die Gaukler ansehen!», bet396
telte Frederi Jùli, und Theodosius schrie: «Ich will auch die Gaukler sehen, aber sofort!»
«Oh ja, Schnuckelchen, natürlich, Schnuckelchen…» Tante Eusebia schwankte zwischen der Perlmuttdose und dem Gebrüll ihres Sohnes. «Mutter», sie meinte Oma Felicitas, «könntet Ihr nicht die jungen Herren zu den Gauklern begleiten? Ich muss mir unbedingt diese Auslage noch näher anschauen, und der Kleine wird doch so schnell ungeduldig!»
«So siehst du aus, Eusebia!», schimpfte die Oma. «Kümmere dich gefälligst selbst um deinen verzogenen Bengel!»
«Er ist nicht verzogen», widersprach Tante Eusebia gekränkt. «Er hat nur ein überschäumendes Temperament!»
«Seinem überschäumenden Temperament täten ab und an ein paar Ohrfeigen ganz gut», murmelte Oma Felicitas verstimmt.
«Streitet Euch nicht. Ich gehe mit den Jungs zu den Gauklern», erklärte Frederi. «Frederi, Theodosius, kommt!» Frederi jauchzte auf und flitzte los, Theodosius walzte mit einem triumphalen Brüller hintendrein. Fabiou und die Mädchen, die keine Lust auf weitere Vorträge über Perlmuttschmuckkästen hatten, folgten ihnen eilig, desgleichen die Kinderfrau, die Maria Anno mit sich schleppte.
«Dein Mann ist ja wirklich ein eifriges Kindermädchen», hörten sie im Gehen Tante Eusebias spitze Stimme. «Nun, er hatte ja schon immer etwas Weibisches an sich.» Die letzten Worte trieften vor Boshaftigkeit.
«Das Schicksal in den Karten, das Schicksal in den Karten!», rief das Weiblein mit den goldenen Ohrringen.
«Oh, guck mal, Fabiou», schrie Frederi Jùli, «das sind die, die wir schon mal gesehen haben!»
In der Tat. Ein Wirbel aus Armen und Beinen in der Luft, und eine Gestalt landete auf einer unsichtbaren Unterlage in Höhe der Köpfe der Menge, rot das Kostüm, weißgeschminkt das von dunklen Haaren umrahmte Gesicht,
Weitere Kostenlose Bücher