Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
Augen blitzten im Protest. «Antoine haben sie auf der Schwelle seines eigenen Hauses abgestochen wie ein Schwein. Das soll Gottes Wille sein?»
    Fabiou blickte unruhig von einem zum anderen. Er hätte sich die Frage wirklich schenken sollen.
    «Sie sind an einem Abend gekommen», murmelte die Witwe Carbrai. Es war klar, dass ihre Worte an Fabiou gerichtet waren, doch sie sah ihn nicht an. «Sie haben geklopft und gebrüllt, mein Mann solle herauskommen.» Sie starrte auf den Fußboden. Fabiou fragte sich, wie alt sie wohl war. Sie musste im Alter seiner Mutter sein, doch die grauen Strähnen in ihrem Haar und das schmale, faltige Gesicht ließen sie zwanzig Jahre älter erscheinen. «Ich habe ihn noch angefleht zu bleiben», flüsterte sie. «Aber – er meinte, die Tür würde sie sowieso nicht aufhalten und öffnete ihnen. Sie waren zu viert oder zu fünft. Als mein Mann fragte, was sie von ihm wollten, zog einer sein Schwert und durchbohrte ihn.» In Ordnung, Antoine, akzeptiert – ich hätte auch etwas gegen Katholiken an deiner Stelle!
    618
    Laut fragte Fabiou: «Mein Vater… und mein Stiefvater… wenn sie so gut mit Eurem Mann befreundet waren… hätten sie ihm denn nicht zur Flucht verhelfen können?»
    Sie sahen sich an, die Witwe Carbrai und Rouland de Couvencour. «Das… haben sie sicher versucht…», sagte Couvencour. Seine Hände krampften sich krallenartig ineinander. «Aber es ging ja alles drunter und drüber damals…» Cristou, der sich stets für die Protestanten eingesetzt hatte – wo war er gewesen, als man einen Mann niederstach, den er seinen Freund genannt hatte? Wäre er vielleicht selbst in Gefahr geraten, wenn er versucht hätte, Carbrai zu beschützen? Und hatte Frederi deshalb so betreten dreingeschaut, als sie der Witwe Carbrai in der Stadt begegnet waren? Das schlechte Gewissen eines Mannes, der einen Freund in der Not im Stich gelassen hatte?
    «Ihr sagtet vorhin, Euer Mann habe meinen Vater von der Schule gekannt. Kannte er dann auch einen Lucian Veive?»
    «Lucian? Oh ja», sagte die Witwe Carbrai, «der hat hier gearbeitet – bis zu seinem Tod.» Sie schluckte.
    «Wie kommst du denn darauf?», fragte Couvencour mit gerunzelter Stirn.
    «Ach… das fiel mir nur gerade ein… Wart Ihr wirklich mal mit meinem Stiefvater befreundet, Senher Couvencour?», fragte Fabiou.
    «Ja. Natürlich. Glaubst du mir etwa nicht?» Couvencour lachte.
    «Na ja, es ist bloß so… wenn man meinen Stiefvater heute über Euch reden hört, klingt das nicht gerade sehr freundschaftlich.»
    «Frederi!» Couvencour seufzte. «Er war immer sehr streng katholisch, aber seit der Geschichte von ‘45 kriegt er Angstzustände, wenn man das Wort ‹Irrglaube› in seiner Gegenwart verwendet. Und nachdem ich offensichtlich in diesen Breiten als so eine Art Bastion der Ketzerei gelte, glaube ich gut und gern, dass Freund Frederi meinen Namen nur mit Schaudern ausspricht. Nicht dass ich es ihm verdenke… ich weiß nicht, was von meiner Überzeugung noch übrig geblieben wäre, wenn ich wie er gesehen hätte, wie…» Er brach ab.
    «Was? Was hat mein Stiefvater gesehen?», fragte Fabiou stirnrunzelnd.
    619
    «Nichts. Nichts Besonderes», meinte Couvencour unwirsch. Er sah eigentümlich bleich aus. Auf seiner Oberlippe hatten sich Schweißtröpfchen gebildet, und er kippte extrem hastig seinen Wein herunter.
    Na schön. Dann eben zum nächsten Punkt. Etwas schwierig, das taktvoll vorzubringen. «Die Morde, die sich in jüngster Vergangenheit ereignet haben – glaubt Ihr, die waren auch religiös motiviert?»
    Couvencour runzelte die Stirn. «Wie kommst du darauf? Ich denke, man verdächtigt die Antonius-Jünger.»
    «Na ja, man redet so allerlei…», meinte Fabiou ausweichend. Er fragte sich, ob sein Ruhm als Investigator schon bis hierher vorgedrungen war. Über Arnac vielleicht. Wusste Arnac überhaupt von seinen Nachforschungen? Sébastien hatte ihm doch sicher davon erzählt, oder? «Was denkt Ihr dazu, Senher Couvencour?»
    Couvencours breite Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das nicht besonders fröhlich wirkte. «Was ich dazu meine, ist, dass es die Antonius-Jünger nicht mehr gibt. Dafür haben Degrelho und seine Bande wildgewordener Landjunker nun wirklich gesorgt.»
    Die Art, wie er den Namen Degrelho aussprach, war nicht gerade eine Liebesbekundung.
    «Ihr mögt Degrelho wohl nicht», stellte Fabiou fest. Couvencours Grinsen wurde noch breiter. «Beruht auf Gegenseitigkeit», meinte

Weitere Kostenlose Bücher