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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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werden? Oder Cristino? Oder Alessia? Oder überhaupt irgendwer?» Er sah Couvencour trotzig an.«Fabiou»,CouvencoursStimmeklangdanach,dassseineGeduld zu Neige ging, «ich denke, ich habe mich klar genug ausgedrückt. Ich werde dich jetzt nach Hause bringen, und da wirst du bleiben und dich endlich aus der ganzen Geschichte heraushalten!»
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    Aha, Arnac hat also in der Tat gepetzt. «Das werde ich nicht tun!» Fabiou schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Es tat weh. Der Schmerz hatte etwas Erleichterndes. Er war normal. Normaler als irgendwelche geheimnisvollen Machthaber, die im Dunkeln lauerten, um ihm die Kehle durchzuschneiden. «Es geht hier um die Wahrheit, und nichts auf der Welt wird mich davon abhalten, sie herauszufinden, und wenn ich dabei draufgehe!»
    Couvencour schüttelte den Kopf, langsam, wie benommen. Seine Hand fuhr durch seine Haare, wischte die dürftigen Strähnen beiseite, dass nur eine kahle Platte blieb, in der sich die Kerzen spiegelten. «Mein Gott, du redest wie Pierre», flüsterte er. Fabiou schluckte. Seine Kehle schmerzte vor Trockenheit. Couvencour stand auf und machte einen Schritt in den Raum hinein. Einfach so, ziellos. Fabiou hatte das Gefühl, es ging ihm nur darum, seinem Blick auszuweichen. «Hast du dir jemals überlegt, warum Martin Luther friedlich in seinem Bett gestorben ist, statt auf einem Scheiterhaufen der Inquisition zu enden?», fragte er. Fabiou schüttelte den Kopf. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Martin Luther friedlich in seinem Bett gestorben war.
    «Der Kaiser hätte viele Möglichkeiten gehabt, ihn zu töten. Luther versteckte sich eine Zeitlang bei einem deutschen Fürsten, doch selbst damals war es ein offenes Geheimnis, wo er war. Der Kaiser hätte die Burg, auf der er sich aufhielt, angreifen und seine Herausgabe erzwingen können. Der Kaiser hätte ihn gleich auf dem Reichstag zu Worms festsetzen und hinrichten lassen können. Aber er hat es nicht getan. Kannst du dir denken, warum?»
    Fabiou schüttelte erneut den Kopf. Er wusste wirklich nicht, worauf Couvencour hinaus wollte.
    «Weil Luther ein Mythos war», erklärte Couvencour. «Die Deutschen hätten es dem Kaiser nie verziehen, wenn er ihn getötet hätte, das Volk genauso wenig wie die Fürsten. Und der Kaiser ist nichts ohne loyale Fürsten. Er war gut beraten, Luther am Leben zu lassen.»
    Fabiou betrachtete Couvencour über den flackernden Halo der Kerzen hinweg. «Was… was wollt Ihr damit sagen?», fragte er.
    «Dass niemand, egal wie mächtig er ist, ungestraft einen Mythos tötet», sagte Couvencour. 623
    Fabiou sperrte den Mund auf.
    «Komm, ich bringe dich jetzt nach Hause», sagte Couvencour. Wenig später, als sie durch die nächtlichen Straßen der Stadt liefen – bergauf, in Richtung Carriero de Jouque –, sagte Fabiou, um überhaupt etwas zu sagen, denn Couvencour schwieg eisig, seit sie das Haus der Carbrais verlassen hatten: «Ihr seht Eurem Sohn nicht besonders ähnlich. Er kommt wohl mehr nach seiner Mutter, oder?»
    Er hörte Couvencour lachen im Dunkeln. «Arnacs Mutter war Italienerin, aus Perugia. Eine unglaubliche Frau. Schön, klug, sprühend vor Energie.» Er seufzte leise. «Sie ist leider schon lange tot.»
    «Ist sie an einer Krankheit gestorben?», fragte Fabiou.
    «Der verfluchte Arrêt de Mérindol », murmelte Couvencour.
    «Dieses Land hier ist eine Woche lang in Blut und Toten ertrunken. Und als es vorbei war, kamen die Seuchen.» Sie hatten die Plaço dis Jacobin erreicht. Die Pin de Genas schwankte sanft in einem lauen Nachtwind. Couvencour warf ihr einen hasserfüllten Blick zu. Ein paar Betrunkene johlten am anderen Ende des Platzes. «Ich hatte sie mit Arnac nach Marsilho geschickt, als klar wurde, was geschehen würde. Doch es war wohl zu spät. Sie müssen sich die Krankheit irgendwo auf dem Weg dorthin geholt haben.»
    «Sie? Arnac war also auch krank?»
    Couvencour betrachtete ihn irritiert. «Äh… ja, Arnac war auch krank», sagte er dann.
    «Und Eure Frau ist gestorben.»
    Er nickte langsam. «Ich erreichte Marsilho am 12. Mai. Da war sie bereits zwei Tage tot.»
    «Wie mein Vater», seufzte Fabiou. Er dachte kurz nach. «Wenn Ihr erst am 12. Mai nach Marsilho gekommen seid… dann wart Ihr noch in Ais, als mein Vater starb, oder?»
    Couvencour schwieg. Er nickte.
    «Wart Ihr dabei?», fragte Fabiou hoffnungsvoll.
    Couvencour schüttelte den Kopf. Fabiou seufzte enttäuscht.
    «Fabiou», sagte Couvencour. Er war stehen geblieben. Sein

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