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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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war wohl nicht die schlechteste Lösung. Couvencour lachte auf alle Fälle. «Das passt zu Frederi! – Und da dachtest du, du könntest ja vielleicht die Witwe Carbrai fragen, ja?», mutmaßte er. Er lächelte noch immer.
    Fabiou nickte. Sein Blick wandte sich der Frau zu, die Couvencour einen hilfesuchenden Blick zuwarf. Der nickte aufmunternd.
    «Nun… Antoine, mein Mann, war gut befreundet mit ihnen», murmelte sie. Noch immer wich sie Fabious Blick aus.
    «Mit ihnen?»
    «Senher Couvencour, Baroun de Bèufort und Cavalié de Castelblanc», antwortete die Frau mit kaum hörbarer Stimme. «Sie kannten sich von der Schule.»
    Fabiou runzelte die Stirn. Gut, sein Vater hatte Kontakte zu den Protestanten gehabt, das wusste er ja bereits von Tante Beatrix. Aber Frederi?
    «Stört Euch das?» Die Stimme knirschte vor Feindseligkeit. Fabiou sah auf. Der junge Carbrai betrachtete ihn aus wütend zusammengekniffenen Augen.
    «N-nein, ich wusste bloß nicht, dass…»
    «Dass Euer Vater Umgang mit ketzerischen Irrgläubigen pflegte?
    Enttäuschend, oder?» Carbrais Hände waren zu Fäusten geballt.
    «Antoine!» Der Tonfall der Mutter war tadelnd. Und zu Fabiou gewandt meinte sie: «Bitte entschuldigt meinen Sohn. Sein Verhalten ist ungehörig.»
    «Wir entschuldigen uns nicht bei den Katholischen!», zischte Antoine Carbrai. «Oder haben sie sich jemals bei uns entschuldigt?
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    Dafür zum Beispiel, dass sie uns für unseren Glauben hetzen wie die Tiere und abschlachten wie Vieh?»
    «Antoine», sagte Couvencour, «dieser Junge hier hat bestimmt noch keinen Protestanten umgebracht. Und du weißt, wer sein Vater war.»
    «Oh ja, und ich weiß vor allem auch, wer seine Mutter und sein Stiefvater sind», höhnte der junge Carbrai. «Judas war schließlich auch ein sehr ehrenwerter Mann.»
    «Verflucht, Antoine, du hast keine Ahnung, wovon du da redest!», erklärte Rouland de Couvencour.
    «Nein, habe ich auch nicht. Und jetzt entschuldigt mich, ich habe noch im Kontor zu tun!» Der junge Mann wandte sich brüsk ab und ging aus dem Raum.
    «Nehmt es ihm nicht übel, bitte», flüsterte die Witwe Carbrai.
    «Er hat den Tod seines Vaters nie verwunden.»
    Fabiou zog es vor, nicht in ihre Richtung zu blicken und starrte stattdessen auf das Regal zu seiner Linken. Eine Bibel, in französischer Sprache, wie Fabiou leicht erstaunt registrierte – er hatte bisher nur Bibeln auf Lateinisch gesehen – zwei Bücher von Luther, drei von Calvinus. INSTITUTIO RELIGIONAE CHRISTIANAE
    las Fabiou auf einem Buchrücken. Er schätzte, dass allein der Besitz eines dieser fünf Bücher ausreichte, seinen Eigentümer an der Pin de Genas enden zu lassen. Die Witwe Carbrai interpretierte seinen Blick offensichtlich richtig. «Wir verstecken uns nicht», sagte sie leise. «Unsere Religion ist kein Geheimnis. Wenn wir dafür sterben müssen, so ist es Gottes Wille.» Fabiou betrachtete sie irritiert. Er fand das ziemlich seltsame Worte für eine kleine Bürgersfrau in Witwentracht. Um genau zu sein, fand er das ganz allgemein ziemlich seltsame Worte. Worte, die man in einer Heiligenvita erwartete, aber nicht in einem von der Abendsonne bestrahlten Bürgerhaus mit einem Glas Wein in den Händen. «Wie… wie ist Euer Gatte denn gestorben?», fragte er unsicher. Wieder eine dieser indiskreten Fragen. Er verfluchte seine Neugierde. Sie seufzte. Es war nicht das theatralische Jammern, das seine Mutter bei solchen Gelegenheiten zur Schau trug. Eher ein Laut der Resignation.
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    «Er wurde ermordet», sagte Rouland de Couvencour an ihrer Stelle. «Hier, vor seiner Haustür.»
    «Ermordet?», fragte Fabiou lahm. «Von wem denn?»
    «Von den Piemontais », murmelte die Witwe Carbrai. Fabiou machte ein leicht unintelligentes Gesicht. «Ihr meint, jemand aus dem Piemont hat ihn getötet?»
    «Man nannte sie so», erklärte Couvencour. «Mayniers päpstliche Söldner. Sie kamen aus dem Piemont.» Er hatte seine Finger ineinandergeschoben, sie drehten und wanden sich in seinem Schoß.
    «Nach der Aktion gegen die Waldenser haben sie sich Ais vorgenommen. Vordringlich die Protestanten, aber auch sonst jeden, der ihnen nicht in den Kram passte. Der Maynier nicht in den Kram passte.»
    Die Witwe starrte auf die schwarze Tischplatte. «Wir dürfen nicht klagen», murmelte sie. «Es ist Gottes Wille, und Gottes Wille ist gerecht. Bei den Waldensern haben sie niemanden geschont. Mir haben sie wenigstens meine Kinder gelassen.»
    «Gottes Wille!» Couvencours

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