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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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schwebt. Wie ein… Schutzengel.»
    Na klar. Sébastien glaubt an Geister von Toten, die in Lebende fahren, warum also nicht auch an Engel, die auf Erden wandeln und sich ab und zu mal Degenduelle liefern. «Was willst du damit sagen? Dass Arnac kein Mensch aus Fleisch und Blut ist?»
    «Wenn man ihn kämpfen sieht, könnte man es fast meinen, nicht wahr?» Sébastiens Augen funkelten noch intensiver. «Aber… nein, ich denke schon, dass er ein Mensch ist. Aber ein Mensch, der etwas ausgesprochen Mysteriöses an sich hat. Vielleicht ist er ja auch 664
    ein Spion. Für die Protestanten zum Beispiel.» Seiner religiösen Überzeugung zum Trotz schien es Sébastien restlos faszinierend zu finden, mit einem protestantischen Spion befreundet zu sein.
    «Und seine Aktivitäten sind nicht das Einzige, was seltsam an ihm ist.»
    «So? Was denn noch?» Fabiou konnte der Spion-Theorie durchaus einiges abgewinnen. In der Tat, Arnac verhielt sich mehr als seltsam. Sein überhasteter Aufbruch damals in Lourmarin, sein Wissen über den Kahlen – etwas war definitiv ungewöhnlich an ihm. Hatte er am Ende mehr mit den Morden zu tun, als bisher angenommen?
    Sébastien grinste zur Antwort. «Weißt du, Fabiou, ich habe zwei große Stärken», sagte er selbstgefällig, «meine Menschenkenntnis und die Fechtkunst. Und die Kombination aus beidem.»
    «Also drei Stärken», meinte Fabiou spöttisch. «Und was hat das mit Arnac zu tun?»
    «Hast du dir schon mal überlegt, warum Arnac im Fechtkampf so unschlagbar ist?»
    «Na ja… er ist unglaublich schnell.»
    «Ja, natürlich. Aber es gibt noch einen anderen Grund», meinte Sébastien. Er machte eine Pause, doch da Fabiou ihn nur erwartungsvoll ansah, fuhr er fort: «Arnac verteidigt sich nicht. Er greift nur an. Ohne jegliche Rücksicht auf eigene Verluste. Ich habe nie zuvor jemanden so kämpfen sehen. Bei unserem Kampf bei den Mancoun dachte ich, das wäre seine Masche in einem harmlosen Schaukampf, um den Gegner zu verunsichern. Aber er hat heute früh genauso gekämpft, obwohl es um Leben und Tod ging. So als ob ihm sein eigenes Leben rein gar nichts bedeutet. Das ist doch ziemlich seltsam, oder?»
    Aha, also ein todesmutiger Spion. «Na ja, er ist eben… tollkühn, oder?»
    Sébastien schüttelte den Kopf. «Tollkühn ist anders. Arnac ist etwas ganz Besonderes. Und ich bin mir definitiv sicher, dass er mehr in Gefahr schwebt als du und deine Schwester zusammen. Und dass es nicht nur Alexandre de Mergoult ist, der ihm ans Leder will.»
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    Fabiou seufzte tief und erschöpft. «Na schön. Arnac weiß also etwas und will es mir nicht sagen. Sein Vater weiß etwas und will es mir nicht sagen. Hilft uns das jetzt irgendwie weiter?»
    «Wieso fragen wir nicht Ingelfinger?», meinte Sébastien grinsend.
    «Ingelfinger? Du bist gut, und wo soll ich den finden?»
    Sébastien betrachtete lächelnd seine perfekt gefeilten Fingernägel. «Nun, ein Herr namens Grandjean, auf den deine Beschreibung zutrifft, wohnt zwei Türen neben mir in der Cacalauso d’Oro.»
    ***
    Die Sonne hatte sich über Ais gesenkt, und in der Cacalauso d’Oro herrschte das gedämpfte Zwielicht, das sich aus Öllampen, dem Herdfeuer und der von trüben Scheiben gefilterten Abenddämmerung zusammensetzt. Es war relativ viel los, als Fabiou und Sébastien den Schankraum betraten; in einer Ecke fand eine Gesellenfeier statt, der frischgebackene Geselle stand auf dem Tisch und schwenkte ein Weinglas in der Luft herum, während er von seinen Zunftgenossen unterstützt ein Lied über eine gewisse dicke Margalida grölte. Am unteren Ende des Tisches saß ein Lehrling in Fabious Alter, dem der Wein offensichtlich schon ordentlich zu Kopf gestiegen war; sein Oberkörper war auf den Tisch gesunken, er schnarchte leise vor sich hin.
    Ingelfinger beziehungsweise Grandjean saß an einem Tisch nahe der Tür, einen Teller mit Wurst und Brot vor sich, einen Krug Wein daneben, und speiste. Er zeigte keinerlei Reaktion, als Sébastien und Fabiou an den Tisch herantraten, und konzentrierte sich weiter darauf, die Wurst in Scheiben zu schneiden.
    «Mèstre Ingelfinger?», sprach Fabiou ihn an.
    Ingelfinger hob den Kopf, ohne mit Kauen aufzuhören. «Ah, der Baroun de Bèufort. Und Baroun de Trévigny, angenehm», mampfte er.SébastiensGesichtrötetesich.«ComtedeTrévigny»,verbesserte er.«Ah»,sagteIngelfingerundkauteweiter.
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    Sébastien zog einen Stuhl heran, setzte sich neben Ingelfinger an den Tisch und stützte die

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