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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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offiziell mit Trostett gemeinsame Sache machte, inoffiziell aber mit mir zusammenarbeitete, während Trostett, der die Sache natürlich durchschaute, versuchte den Spieß
    herumzudrehen, indem er mit den französischen Protestanten oder sonstigen Feinden der französischen Krone paktierte. Und so geriet er wohl an die Bruderschaft.»
    «Aber Ihr hattet doch auch Kontakte zur Bruderschaft!», warf Fabiou ein.
    Ingelfinger seufzte. «Es würde mich in der Tat interessieren, woher du all das weißt. Na ja. Die Bruderschaft hat natürlich meine Gesellschaft gesucht, weil sie meinten, dass alle Protestanten zwangsläufig Kämpfer für eine freiere Weltordnung seien und sie von einer großen Allianz aller freiheitsliebenden Geister Europas träumten oder so ähnlich. Diese Jungs waren die größten Traumtänzer, die mir je begegnet sind, eine Bande von weltfremden Utopisten, mit einer Vorstellung von Politik, die aus einem Märchen zu stammen schien, zu naiv, um zu begreifen, dass sie von allen nur benutzt wurden.»
    «Aber wenn sie so naiv und dumm und so leicht zu benutzen waren, warum wurden sie dann beseitigt?», fragte Fabiou. Auch das wieder ein Probeschuss, er hatte keine Ahnung, was an der Buous’schen Theorie von der Ermordung Carfadraels dran war. Doch offensichtlich lag er erneut richtig.
    «Warum?» Ingelfinger lächelte müde. «Warum wurde Jesus hingerichtet? Oder Thomas Moore? Warum hat man einen Jan Hus verbrannt und einen Martin Luther geächtet und einen Jean Cauvain aus dem Land gejagt?»
    «Ich weiß nicht», meinte Fabiou.
    «Weil sie an das, was sie sagten, geglaubt haben», antwortete Ingelfinger. «Ein Mensch, der wirklich an eine Überzeugung glaubt, kann gefährlicher sein als eine Armee. Man kann Glauben nicht zerstören, Fabiou, das ist das Problem. Man kann Menschen töten, Städte niederbrennen, ganze Landstriche verwüsten. Aber gegen den wahren Glauben ist selbst ein König machtlos. Ich spre669
    che jetzt nicht nur von Protestantismus oder Katholizismus. Ich spreche nicht einmal nur vom christlichen Glauben. Man kann an vieles glauben, Fabiou. An die Freiheit, an die Gerechtigkeit, an die Wahrheit. Aber wenn ein Mensch wirklich glaubt und wenn sein Glaube die herrschende Ordnung in Frage stellt, dann wird er zu einer Gefahr für diese Ordnung und sie muss ihn vernichten, wenn sie ihren Fortbestand nicht gefährden will.»
    Fabiou schluckte. «Wer hat sie getötet?», fragte er heiser.
    «Wer? Ich weiß es nicht einmal so genau. Das ist auch eine völlig sekundäre Frage. Sie hatten viele Feinde, und die meisten hatten ihre Finger mit drin. Eine viel wichtigere Frage ist, wie es überhaupt möglich war, dass sie getötet wurden. Der große Vorteil der Bruderschaft war ihre Anonymität. Niemand wusste, wer sie waren, auch wir nicht. In dieser Hinsicht waren sie vorsichtig.»
    «Aber wie sind sie dann umgekommen?», fragte Sébastien atemlos.
    «Wie alle großen Menschen – durch Verrat», antwortete Ingelfinger.
    «Verrat? Durch wen?»
    «Wenn ich das wüsste, wäre mir vieles klarer», meinte Ingelfinger mit einem versonnenen Lächeln.
    «Aber Ihr habt eine Theorie», mutmaßte Fabiou.
    «Vielleicht.» Ingelfinger zuckte mit den Achseln.
    «Worum ging es damals? Sie haben versucht, die Edelleute hier aufzuwiegeln, sie zum bewaffneten Kampf gegen die Krone aufzufordern. Warum? Sie wollten doch nicht im Ernst eine Trennung der Provence von Frankreich erzwingen, oder? Was war es, was sie verhindern wollten? Ging es um neue Steuern oder um ein neues Gesetz, das die Zentralgewalt stärken sollte? Und was hattet Ihr und Trostett mit der Sache zu tun?», sprudelte Fabiou alle Fragen hervor, die ihm spontan einfielen.
    «Ach. Und du glaubst wirklich, dass ich dir auf diese Fragen eine Antwort geben werde?» Ingelfinger lachte spöttisch. «Glaubst du, ich hätte in diesem Geschäft so lange überlebt, wenn ich jedem dahergelaufenen kleinen Angeber Staatsgeheimnisse erzählen würde? Abgesehen davon, dass es deiner Gesundheit sehr abträglich sein könnte, über diese Dinge Näheres zu wissen.»
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    «Pah! Ihr seid noch viel mehr in Gefahr als ich! Der Genevois kann Euch genauso umbringen!»
    «Nun, ich denke, dass das ein kleines bisschen schwieriger sein wird, als eine Rotznase wie dich zu erledigen, mein Junge», meinte Ingelfinger.
    «Dann… dann sagt mir wenigstens, worum es bei den Morden jetzt geht! Versucht jemand von der Bruderschaft, seine Kameraden von damals zu rächen? Sind deshalb

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