Die Kinder des Ketzers
stand und mit zusammengekniffenen Augen nach unten starrte. «Es lag an diesen beiden Knallköpfen, die plötzlich aus dem Wald kamen. Ohne die hätten wir es geschafft», murmelte er.
Der Kahle nickte geistesabwesend.
«Was ist mit Euch?», fragte der Landsknecht. «Ihr seht ja aus, als hättet Ihr einen Geist gesehen!»
«Gewissermaßen», sagte der Kahle gedankenverloren, «habe ich das auch.»
657
***
«Wer ist er?», fragte Fabiou Arnac, als sie nebeneinander durch das Stadttor von Ais ritten. Frederi ritt voraus, er hielt Cristino vor sich im Sattel, ihr Pferd führte Sébastien am Zügel. Sie hatte ihr Gesicht gegen seine Schulter gepresst und weinte lautlos.
«Wer ist wer?»
«Der Kahle. Ihr kennt ihn, nicht wahr?»
Arnac starrte angestrengt auf das Kopfsteinpflaster. «Man nennt ihn den Genevois», erklärte er. «Er ist ein Auftragsmörder. Ein professioneller Halsabschneider. Man sagt ihm nach, er sei tödlicher als Pocken und Pest zusammen.»
«Den Namen habe ich schon einmal gehört. Bossard hat von ihm geredet. Kurz vor seinem Tod.» Ach, es geht doch nichts über ein gutes Gedächtnis! «Und woher kennt Ihr ihn?», fragte Fabiou misstrauisch.
«Es gab mal eine Zeit», antwortete Arnac, «da kannte man ihn hier.»
«Es scheint so, als lerne man ihn gerade wieder kennen», stellte Fabiou fest. «Zumindest der Mord an dem Notar geht ziemlich sicher auf sein Konto. Dafür gibt es Zeugen.» Mich zum Beispiel.
«Möglich, dass er die Morde begangen hat», sagte Arnac. «Das lässt aber trotzdem die Frage offen, wer ihn beauftragt hat.»
«Woher habt Ihr es gewusst?»
«Was?»
«Dass man uns angreifen würde.»
«Gewusst ist anders. Aber dass Cristino in Lebensgefahr schwebt, ist seit der Sache bei den Mergoults ja wohl offensichtlich. Und für Euch und den Cavalié, schätze ich, gilt dasselbe.»
«Frederi? Wieso das?»
«Sie töten jeden, der etwas weiß», sagte Arnac.
«Und was weiß mein Stiefvater, das ihn für sie gefährlich macht?»
Arnac zuckte mit den Schultern. «Was mich viel mehr beschäftigt – woher wussten sie, wo Ihr hinwolltet?»
«Vielleicht sind sie uns heimlich gefolgt», überlegte Fabiou. 658
«Ein ganzer Landsknechttrupp? Den gesamten Weg von Ais her, ohne dass Sébastien und ich das Geringste davon bemerkt hätten?
Unwahrscheinlich.»
Fabiou spürte, wie er fröstelte, trotz der Hitze. «Ihr meint doch nicht etwa, Mergoult hätte uns in eine Falle gelockt? Er ist ein Esel, aber ich glaube, Cristino liebt er wirklich.»
«Vielleicht wusste er nicht, dass er Euch in eine Falle lockte. Vielleicht hat er ganz unverfänglich jemanden von seinen Plänen erzählt, und dieser jemand…» Arnac kam nicht weiter. Offensichtlich hatten sie zu laut gesprochen. Mergoult riss sein Pferd herum und fuhr auf ihn los. «Du hörst jetzt auf, Lügengeschichten über mich zu verbreiten!», keuchte er. «Ich habe dem Präsidenten nichts von dem Ausritt erzählt, ich habe ihn seit einer vollen Woche nicht mehr gesehen. Ich habe genau drei Leuten davon erzählt: St. Roque, Brieul und meinem Bruder. Ach, und dem kleinen Degrelho.»
«Victor?»
«Der wollte unbedingt heute Cristino besuchen, der kleine Angeber. Bildet sich ein, sie hätte Interesse an so einem Weichling. Na, da habe ich ihm eben gesagt, wo Cristino heute ist. Warum auch nicht?»
«Warum nicht?», schrie Arnac. «Weil irgendeiner dieser Leute es denen weitergesagt hat, die für die Morde verantwortlich sind!
Weil dein Leichtsinn Cristino beinahe das Leben gekostet hätte!»
«Ich hätte Cristino schon beschützt!», erklärte Mergoult.
«Ach ja? Das hat man gesehen, wie locker du mit der Mordbande fertig geworden bist!»
Mergoults Faust schoss vor und krallte sich in Arnacs Kragen.
«Noch eine Bemerkung in dieser Art, und ich schlag dir die Fresse ein, Couvencour!», brüllte er.
Arnacs Hand legte sich um Mergoults Unterarm. Die linke. Die rechte lag schon wieder auf dem Degen. «Nimm deine Finger weg!», zischte er.
Einen Moment lang herrschte atemlose Stille. Dann öffnete sich Mergoults Hand, und er wich zurück. Sein Gesicht war feuerrot.
«Sei vorsichtig, Couvencour», keuchte er, «sei bloß vorsichtig!
Eines Tages kriege ich dich! Sag nur ein Wort, ein einziges Wort, das auch nur im Entferntesten nach Ketzerei klingt, und ich sorge 659
dafür, dass du in den Klauen der Inquisition endest, das schwöre ich dir! Und dein Vater gleich mit!» Er trieb sein Pferd an und sprengte die Straße hinunter,
Weitere Kostenlose Bücher