Die Kinder des Ketzers
ohne sich noch die Mühe zu machen, sich von Cristino zu verabschieden.
Sébastien sah unbehaglich von der Staubwolke, die Mergoult hinterließ, zu Arnac und wieder zurück. «Junge, pass auf», seufzte er.«Pah!» Arnac warf den Kopf zurück. «Ich habe keine Angst vor diesem Bastard Mergoult.»
«Ich auch nicht», murmelte Sébastien. «Aber Mergoult ist eine Sache. Und die Inquisition eine völlig andere.»
«Ach…» Arnac machte eine wegwerfende Handbewegung. Aber sein Gesicht war eine Spur bleich geworden. Fabiou betrachtete ihn nachdenklich. «Ihr wisst etwas, Ihr und Euer Vater. Ihr ahnt, wer und was hinter all dem steckt, nicht wahr?»
«Und wenn es so wäre», Arnacs dunkle Augen funkelten, «dann würde ich es Euch ganz bestimmt nicht erzählen.»
«Ach! Und wieso nicht?»
«Ich habe schließlich nichts gegen Euch. Also warum sollte ich Euch in Lebensgefahr bringen wollen?»
«In Lebensgefahr bin ich sowieso, da könntet Ihr mir ruhig vollends die Wahrheit sagen. Und überhaupt – wenn die wirklich alle umbringen, die etwas wissen, seid Ihr genauso in Gefahr.»
«Ich kann im Gegensatz zu Euch aber auf mich aufpassen», entgegnete Arnac. Sie erreichten die Carriero de Jouque. Frederi hob Cristino vom Pferd und trug sie ins Haus. «Das ist das letzte Mal, dass ich sie vor die Tür gelassen habe, bis diese Mordgeschichte geklärt ist», verkündete er den Herren.
«Was glaubt Ihr…», rief Arnac spöttisch, «dass diese billige Tür Kerle wie die abhalten wird, das zu tun, was sie vorhaben?»
Frederi warf ihm einen müden Blick zu. «Wir hätten niemals nach Ais kommen dürfen», sagte er leise und trug Cristino ins Haus.
***
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«Es muss einen Grund geben, Cristino, irgendeinen!» Fabiou saß
neben Loís, der wiederum neben Cristino saß, die auf dem Diwan im salon der Aubans lag wie eine Sterbende: bleich, schlaff und mit hohlen Augen. Außerdem waren noch Sébastien und Catarino im Zimmer. Letztere jammerte mit der Kunstfertigkeit eines ausgebildeten Klageweibs. Der Überfall auf Cristino hatte jede ihrer Hoffnungen zunichte gemacht, dass auch ihr Hausarrest bald gelockert würde.
«Arnac und sein Vater sagen, sie töten alle, die etwas wissen. Etwas, was sehr mächtigen Leuten gefährlich werden könnte.» Fabiou sah Cristino flehentlich an. «Denk nach! Hat dir denn wirklich niemand etwas Sonderbares gesagt? Ein Geheimnis, das für irgendjemanden eine Gefahr darstellen könnte? Irgendetwas über die Bruderschaft vielleicht?»
Cristino schüttelte stumm den Kopf.
«Mergoult vielleicht. Er kennt sich doch so gut aus in den politischen Intrigen. Oder sonst jemand, auf irgendeinem der Feste!»
Wieder schüttelte Cristino den Kopf. Ihr Gesicht war gleichgültig.
«He!» Sébastiens Augen leuchteten auf. «Das alte Weib in dem Garten, von dem Ihr uns erzählt habt! Sie hat doch so geheimnisvolle Dinge gesagt, war’s nicht so?»
«Cristino, was genau hat die Alte dir gesagt?», fragte jetzt auch Fabiou.
«Sie hat nur gesagt, dass Agnes von Mörderhand gestorben ist, und dass zwischen ihr und mir ein Band besteht.» Cristino fischte ihr Medaillon aus dem Ausschnitt. «Es ist doch alles umsonst. Ich werde sterben, das ist meine Bestimmung, so wie es Agnes’ Bestimmung war.»
«Das ist doch Unsinn!», rief Fabiou. «Und selbst wenn es so wäre
– Bestimmung hin oder her, die Kerle müssen doch einen Grund dafür haben, dich umbringen zu wollen!»
«Sie sind eben die Erfüllungsgehilfen des Schicksals», murmelte Cristino.
«So ein Blödsinn!», stöhnte Fabiou.
«Ich werde als alte Jungfer enden!», heulte Catarino. 661
Wenig später, als Fabiou mit Sébastien zusammen im Studierzimmer saß, schüttelte er immer noch fassungslos den Kopf. «Es gibt keinen Sinn!», sagte er. «Nichts gibt einen Sinn! Jesus, überleg mal – was denkst du, was es kostet, einen Berufsmörder plus fünfzehn Landsknechte als Mordkommando anzuheuern?»
«Ich habe keine Ahnung», meinte Sébastien.
«Ja, ich auch nicht. Aber billig ist es bestimmt nicht. Das heißt, jemand gibt eine Menge Geld dafür aus, Cristino zu töten. Das bedeutet, sie muss etwas verdammt Wichtiges wissen. Etwas, was jemandem gewaltig gefährlich werden könnte.»
«Falls die Mörder nicht vor allem hinter dir her waren», gab Sébastien zu bedenken.
«Himmel, Mergoult konnte doch gar nicht sicher sein, dass ich mitkomme. Also wie hätten die Mörder davon erfahren sollen?»
«Vielleicht über jemand anderen als
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