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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Menschen hindurch. Cristino schwieg. Ihre Hände waren um Agnes’ Medaillon gekrampft.
    «Fabiou, lass uns…», begann Bruder Antonius. Er kam nicht weiter.
    Unter der Pinie erschien ein Mann über den Köpfen der Menge. Für einen Moment sah es tatsächlich so aus, als würde er in der Luft stehen, dann erkannte Cristino die hölzerne Plattform, die man unter dem Baum errichtet hatte. Der Mann, gekleidet in die Robe eines Richters, nahm am vorderen Rand dieser Plattform Aufstellung. Und im selben Moment kamen vier weitere Personen nach oben geklettert. Der erste war in ein feuerrotes Wams gekleidet, und Jean de Mergoult, der ja nach eigenen Angaben schon hundert Hinrichtungen gesehen hatte, erklärte den weniger gebildeten Anwesenden, dass es sich hierbei um Mèstre Tassou handelte, den Henker von Ais. Der zweite war ein Priester, der in beiden 733
    Händen ein Kreuz hielt, und der dritte ein Gerichtsdiener, der die vierte Person mit sich schleifte.
    Es war die alte Wahrsagerin.
    Sie klammerte sich an den Arm des Gerichtsdieners, während sie vorwärtshumpelte. Selbst auf diese Entfernung erkannte Cristino, wie mitgenommen sie aussah. Ihre Augen blickten blutunterlaufen aus tiefen, dunklen Höhlen hervor. Ihr Gesicht hatte die Farbe von Asche.
    Das Medaillon brannte auf Cristinos Handfläche.
    Der Richter räusperte sich jetzt. Er sah furchtbar nervös aus. Er war noch recht jung, offenbar war dies das erste Mal, dass er eine Hexe aburteilte, und offenbar hatte er furchtbare Angst, sich in irgendeiner Form zu blamieren. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Er zückte einen kleinen Zettel, auf dem er sich offensichtlich ein paar Notizen zu der von ihm verlangten Ansprache gemacht hatte, räusperte sich erneut und begann mit vor Nervosität überschnappender Stimme: «Im Namen der Stadt Aix, des Königs von Frankreich und Jesu Christi, Amen.» Er brach ab, ließ einen unruhigen Blick über die Menge gleiten, so als befürchte er, jemand könnte lachen. Doch niemand lachte, und leidlich beruhigt fuhr der junge Richter fort: «Da wir, der Richter Martin Blochamp, bestellt von der Stadt Aix zum Schutz von Recht und Gesetz, mit allen unseren Kräften begehren und aus vollem Herzen wünschen, dass das uns anvertraute Volk in der Einheit und Erhabenheit des rechten Glaubens…», er brach ab und starrte etwas durcheinander auf seine Notizen, «äh… des rechten Glaubens eifrig unterwiesen und von aller Pest der ketzerischen Verkehrtheit innerlich ferngehalten werde, ordnen wir an…»
    «Oh, Mann», stöhnte Alexandre, seine juristische Bildung demonstrierend, «der zitiert den halben Hexenhammer. Etwas Originelleres ist ihm wohl nicht eingefallen! – Cristino, ist Euch nicht wohl? Ihr seid so bleich.»
    «… ordnen wir an, wie es uns nach dem uns übertragenen Amt zusteht, zum Ruhme und zur Ehre des verehrungswürdigen Namens Jesu Christi und zur Ehrung des heiligen, rechten Glaubens, wie auch zur Niederdrückung der ketzerischen Verkehrtheit besonders bei den Zauberern und Hexen, dass die hier anwesende 734
    Maria Gi-ul-li-a-mo, gebürtig aus Siena, die in einem ordentlichen Prozess der Hexerei, Zauberkunst und Teufelsanbetung schuldig befunden wurde, zum Schutz des wahren Glaubens und zur Rettung ihrer Seele… ähm… zum Tode verurteilt und hier und heute durch Aufhängen am Halse vom Leben zum Tode zu bringen ist. Gott sei ihrer Seele gnädig.» Der junge Richter atmete erleichtert auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Cristino rannte. Stieß die Umstehenden beiseite, stolperte über ihr Kleid, rappelte sich wieder auf und rannte weiter. «Cristino», schrie Alexandre de Mergoult, «Cristino», schrie Fabiou, doch sie hörte nicht auf sie, sie stürzte durch die Menge, vorbei an Menschen, die ihr wütend nachriefen: «Pass doch auf, wo du hintrittst, dumme Gans», und dann war sie im Freien, auf der Plaço dis Prechadou, auf die sie hinausstürzte, schreiend.
    Jemand packte sie an den Schultern. «Cristino!»
    Sie schrie noch immer, schlug um sich, nach ihm, nach dem Nichts, nach der ganzen verfluchten Welt. «Cristino!», brüllte er und schüttelte sie.
    Es war Arnac. Neben ihm stand Sébastien, sah Cristino aus verständnislosen Augen an. Cristino kreischte. «Sie bringen sie um! Sie bringen die alte Frau um! Oh Gott, oh mein Gott!»
    Arnac drückte sie an sich, während er sich umsah, mit geweiteten Augen auf die Plaço dis Jacobin hinausstarrte, wo der Henker der alten Wahrsagerin die Schlinge

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