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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Parlaments geschehen war, hatte Mayniers Truppe den Rücken gekehrt und gewährte den Menschen Einlass und Schutz. Baron Degrelho und Seigneur Couvencour blieben noch, um den Buoux bei der Versorgung der Flüchtlinge zu helfen, während mein Schwager und ich sofort wieder aufbrachen. Wir wollten nach Aix zurückkehren und sobald als möglich eine Klage gegen Maynier in die Wege leiten.»
    Das Mädchen. Seltsam, dass er nichts mehr über sie schrieb. War sie unter den Flüchtlingen, die in Buoux blieben? Wer war sie? Wieso hatte er dieses drängende Gefühl, dass die Antwort auf diese Frage wichtig sei?
    Hastiger wurde die Schrift nun, verwaschener, hetzte krakelig durch die Zeilen, so als wisse der Schreiber, dass ihm nur wenig 860
    Zeit blieb, dass das Ende nah war, der 5. Mai, ein paar kurze Tage noch.
    «Der Rückweg offenbarte uns neue Schrecken. Maynier hatte einen Befehl herausgegeben, der den Menschen des Lubéron bei Strafe an Leib und Besitz verbot, flüchtige Menschen aus den zerstörten Dörfern, seien es Waldenser oder nicht, mit Nahrung zu versorgen oder ihnen auf sonstige Weise Hilfe zu gewähren. Die Straßen, die wir entlangzogen, waren gesäumt mit verhungernden und verdurstenden Menschen, die uns um Essen anflehten, das wir nicht hatten, und um Wasser, das wir ihnen nicht geben konnten. Wer den Sturm der Soldaten überlebt hatte, starb jetzt am Wegesrand an Hunger und Erschöpfung. Als wir Aix erreichten, meinten wir, damit den Schrecken hinter uns gelassen zu haben, doch das Gegenteil war der Fall. Angestachelt von den Ereignissen im Lubéron und unterstützt von Mayniers Söldnern wütete die Inquisition in Aix. Im Schnellverfahren wurden in der Stadt Protestanten und andere unliebsame Bürger abgeurteilt und aufgehängt. Unser Freund Maître Carbrai war zwei Tage zuvor, am Abend seiner Rückkehr nach Aix, vor seiner Haustür von einem Söldnerhaufen ermordet worden, Maître Piqueu saß im Gefängnis. Bevor wir die Gelegenheit hatten, uns für ihn zu verwenden, wurde er an der Pin de Genas gehängt. Sie sind nur zwei Beispiele von hunderten unbescholtener Bürger der Stadt, die aufgrund ihres Glaubens, ihrer Überzeugung oder aus reiner Missgunst angeklagt, verhaftet und ermordet wurden, ohne dass ihnen die Gelegenheit gegeben wurde, ihre Unschuld in einem ordentlichen Prozess zu bezeugen. Dies ist der letzte Beweis dafür, mit welcher Willkür, welcher Brutalität und welcher Verachtung gegenüber jedem herrschenden Recht und Gesetz Jean Maynier d’Oppède und seine Verbündeten die Verfolgung und Vernichtung dieser Menschen betrieben, und nicht zuletzt auch ein Zeichen dafür, wie wenig es ihnen in der Tat um die Bewahrung des katholischen Glaubens und um wie viel mehr um reine Machtinteressen ging.
    Die Feuer im Lubéron sind verloschen. Auf seinen Hängen haben einmal an die 1500 Waldenser in 26 Dörfern gelebt. Die Waldenser sind tot, vertilgt vom Angesicht der Erde wie man Ungeziefer ver861
    tilgt, die Dörfer sind niedergebrannt, und die noch leben, gehen in diesem Moment vor unseren Toren an Hunger und Krankheit zugrunde. Mit ihnen starben hunderte unschuldiger Menschen, weil sie ihre Nachbarn waren, ihre Freunde, ihre Familienangehörige, oder weil sie ein Stück Land besaßen, das die Gier eines Mächtigeren herausgefordert hat, über zweitausend Tote insgesamt, niedergemetzelt von einem sechstausend Mann starken Söldnerheer, mehr als tausend auf dem Boden der Provence, neunhundert in Cabrières d’Avignon. Bevor dieser Monat zu Ende ist, werden es tausend weitere sein, verhungert auf den Feldern, weil man den Menschen verbietet, sie mit Nahrung zu versorgen, gestorben auf den Galeeren, wohin man sie verschickt hat. Und die, die diese Menschen auf grausamste Weise vernichten ließen, machen sich in diesen Stunden daran, nach ihren Leben ihr Andenken zu vernichten, machen sich daran, die Geschehnisse der vergangenen Wochen zu vertuschen und schönzureden. Akten werden umgeschrieben, falsche Zeugenaussagen gesammelt, um den schrecklichen Verbrechen einen Anstrich des Rechts zu geben. Ich selbst habe Maynier d’Oppède sagen hören, dass man einen Bericht an den König plane, in dem die Morde und die Verwüstung im Lubéron rebellischen Waldenserbanden zugeschrieben werden sollen. Die, denen all diese furchtbaren Dinge angetan wurden, macht man jetzt zu Schuldigen, um die Erlaubnis zu ihrer weiteren Verfolgung zu erringen und um die wahren Verbrecher zu verteidigen, die weiter in

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