Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
die sich aufbläht auf dem Wasser, wenn es der Himmel regnen lässt, und so schnell verloren geht, wie sie auftaucht, zerbrechend am Stoß eines geringfügigen Aufpralls.
    Jean-Baptiste Chassignet,
    französischer Poet und Jurist (1571-1635)
    111
    Cristino erwachte, als ihr die Morgensonne ins Gesicht schien, und entgegen ihrer Gewohnheit, bis zur letztmöglichen Sekunde im Bett zu bleiben, stand sie auf und kleidete sich an, wobei sie darauf verzichtete, die Zofe zu holen, um ihre Mutter und Catarino nicht zu wecken.
    Unten in der Schankstube wurde bereits fieberhaft ein Frühstück vorbereitet. Cristino schritt damenhaft an den Wirtsleuten und Mägden vorbei, die sich ehrerbietig vor ihr verneigten – sie genoss es, es gab ihr das Gefühl, erwachsen zu sein –, und trat auf die sonnenüberflutete Straße hinaus.
    Im Stall fand sie Loís, der die Pferde striegelte. Er sah nicht auf von seiner Arbeit, dennoch zweifelte sie nicht daran, dass er wusste, dass sie da war. Er erkannte jedes Mitglied der Familie am Schritt. Sie lehnte sich gegen den Türrahmen und sah zu, wie die Hand mit der Bürste durch das Fell des Falben strich.
    «Couvencour ist weg», sagte Loís.
    «Ich weiß. Ich habe gehört, wie er aufgebrochen ist.» Sie starrte auf ihre goldbestickten Schuhe. «Warum ist er gegangen, was meinst du?»
    Loís hob die Schultern. «Der Wirt sagt, da wäre einer gekommen, mit einer Nachricht für ihn.»
    «Hm.» Sie zog die Nase hoch. «Wenigstens verabschieden hätte er sich ja können.»
    «Sehr wohl, junge Herrin.» Wie immer, wenn er sie so anredete, hatte sie das Gefühl, einen Anflug von Spott aus seinen Worten herauszuhören. Es ärgerte sie. Irgendwann würde sie mit Frederi über seine Respektlosigkeit reden müssen.
    «Er ist ein Glückspilz, dieser Couvencour», fuhr Loís fort, der Mähne des Falben zugewandt.
    «Wieso Glückspilz?», fragte Cristino mit gerunzelter Stirn. Wieder eine Respektlosigkeit?
    «Ach, nur so… Ihr solltet ins Haus gehen, junge Herrin. Ich denke, sie warten auf Euch.»
    «Denken ist nicht deine Aufgabe, Diener», sagte sie hochmütig, und ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, schritt sie zum Haus zurück.
    112
    Couvencours unerwartetes Verschwinden war das Hauptgesprächsthema beim Frühstück. Trévigny, der mit ihm das Zimmer geteilt hatte, besaß einen so gesegneten Schlaf, dass ihm Couvencours Verschwinden erst am Morgen bewusst geworden war, doch sein Bedauern hielt sich ausgesprochen in Grenzen. Regelrecht zu vermissen schienen ihn neben den jungen Damen nur der Baroun de Buous und die Dame Castelblanc. Die Barouno meckerte, dass dies ja wohl keine Art sei, sich bei Nacht und Nebel davonzustehlen, und der Cavalié de Castelblanc wirkte eher erleichtert über Couvencours plötzlichen Abschied. Offensichtlich hatte er sein Seelenheil und das seiner Familie durch die Nähe des Ketzers enorm bedroht gesehen.
    Im Übrigen verging das Frühstück mit der Planung des weiteren Reiseablaufs. Der Baroun de Buous hatte das knifflige Problem zu lösen, wie er seine Familie und seine Kutsche nach Ausfall von Kutschpferden und Kutscher nach Ais schaffen sollte. Nach längerem Hin und Her verfiel er auf die geniale Lösung, nebst Kutscher und Pferden auch die gesamte Kutsche sowie einen Pferdeknecht zur Versorgung der drei Verletzten in Lourmarin zurückzulassen. Die Kinderfrau wurde aus der Kutsche verbannt und in einem der Wagen auf den Platz gesetzt, den der Pferdeknecht freigemacht hatte, und ebenso musste Loís das Feld räumen und neben seinem Bruder auf der Ladefläche eines Lastkarren Platz nehmen. Frederi Jùli durfte dafür zu seiner grenzenlosen Begeisterung aus dem Inneren der Kutsche auf den Kutschbock umziehen. Damit war im Innern der Castelblanc‘schen Kutsche genügend Platz geschaffen, dass die Buous-Damen dort untergebracht werden konnten. Der Plan wurde in die Tat umgesetzt, kaum dass das Mahl verzehrt, die Übernachtung gezahlt und für die Unterbringung der Zurückbleibenden gesorgt war, die versprachen, nach allgemeiner Genesung so bald wie möglich in die Stadt nachzukommen. Um halb zehn rumpelten die Wagen einer hinter dem anderen die steilen Gassen Lourmarins hinunter und bogen wieder ein auf die Straße nach Ais.
    «Täterä, Täterä», quäkte Frederi Jùli auf dem Kutschbock, eine unsichtbare Fanfare mit beiden Händen gegen die Lippen gepresst. «Stopft dieser kleinen Pest doch endlich mal das Maul», 113
    murmelte Catarino. «Catarino, du vergisst

Weitere Kostenlose Bücher