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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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dich», tadelte die Dame Castelblanc.
    Wenn Fabiou viele Jahre später, in den Zeiten des Bürgerkriegs, an die Provence seiner Kindheit denken sollte, so war es die Provence, wie sie sich an jenem Morgen präsentierte: frisch, üppig, sonnig, getönt in Ocker, Grün und Gold, das Licht schillernd in den Blättern der knorrigen Olivenbäume, die den Weg säumten, Pinien und Laubbäume am Wegesrand, durch die die Sonne ein Streifenmuster auf den schattigen Weg malte, blühende Kirsch-und Apfelbäume, und über allem der Geruch von Rosmarin, Thymian und Frühling. Es war ein Morgen wie ein Wunder, ein Morgen, in dem sich Augenblick und Ewigkeit berührten, der die Schönheit, die Fröhlichkeit, das Lachen in sich barg wie ein Schrein eine kostbare Reliquie. Fabiou kramte nach dem Schreibbüchlein und dem Kohlestift und steckte sie wieder ein, aus Angst, das Schreiben könnte ihn in der Betrachtung der Schönheit dieses Tages stören, und so saß er nur seufzend auf seinem Falben und betete zu Gott und Jesus und der Jungfrau Maria und allen Musen, dass ihm dieser Tag ein Leben lang im Gedächtnis bleiben würde.
    Seine Gebete wurden im Übrigen erhört. Aus unterschiedlichen Gründen.
    Sie setzten bei Cadenet über die Durenço und folgten der Straße nach Süden. Die Stimmung war gut, die Dienstboten grölten bereits wieder «Aqueli mountagno», nur gelegentlich von einem «Täterä» oder einem «Zum Angriff!» von Frederi Jùli unterbrochen. Ais näherte sich mit Riesenschritten. Es wurden Wetten abgegeben, wie schnell die Stadt jetzt bereits auf einem Pferd im Galopp zu erreichen sei; der Comte de Trévigny behauptete, in einer halben Stunde, und Fabiou schätzte, in einer dreiviertel, hauptsächlich, um Trévigny zu widersprechen. «Hoffentlich ist nachher auf der Straße von Seloun nicht zu viel los», gab der Baroun de Buous zu bedenken. «Da ist um die Jahreszeit immer einiges an Volk unterwegs, letztes Jahr sind wir über eine Stunde lang hinter so ein paar blöden Ochsenkarren hergezuckelt, ich bin fast wahnsinnig geworden. Der Handelsverkehr wird wirklich mit jedem Jahr mehr.»
    «Jaja, heutzutage…», seufzte die Dame Castelblanc, die das Gespräch mithörte, und Catarino verdrehte die Augen. 114
    Kurz nachdem sie die Route d’Avignon erreicht hatten, die von Sant Canat kommend gen Ais zog, war ein kleines Wäldchen zu durchqueren. Die Schatten waren angenehm, denn die Sonne besaß bereits eine erstaunliche Kraft, und jetzt, am frühen Nachmittag, brannte sie schweißtreibend auf die Reisegesellschaft herab. Fabiou ritt vorne, direkt hinter dem Baroun und dem Cavalié, die die Vorhut bildeten, und vor der Kutsche mit Frederi Jùli, dem alten Bardou und den Frauen, zu seiner Rechten ausgerechnet Comte de Trévigny, der ihm vom mondänen Leben in der Weltstadt Paris vorschwärmte – das solltet ihr Euch nicht entgehen lassen, junger Freund, Ihr wollt ja wohl nicht Euer ganzes junges Leben hier im Hinterland vergeuden, und so weiter und so fort. Fabiou sann verzweifelt nach irgendeiner Gemeinheit, einer Bemerkung, die so geistreich oder zumindest so schlagfertig war, dass es diesem arroganten französischen Bengel endlich einmal die Sprache verschlug.
    Er hätte sich die Mühe sparen können. Es verschlug Trévigny auch so die Sprache, wenige Sekunden später.
    Schlagartig parierten Buous und Castelblanc ihre Pferde. «Was ist denn los?», fragte Trévigny ärgerlich und drängelte sein Pferd an ihnen vorbei, nur um dann ebenfalls so ruckartig an seinen Zügeln zu ziehen, dass das Tier sich erschrocken aufbäumte. Die Kutsche stockte, und die Barouno, eingedenk des Vortags übernervös, lehnte sich aus dem Fenster und fragte: «Stimmt etwas nicht?»
    Frederi Jùli stand auf dem Kutschbock. « Di-a-ble », krächzte er fassungslos.
    Ein Pferd stand mitten auf dem Weg, ein großer, wenig attraktiver Apfelschimmel, den Kopf gesenkt über einen Körper, der am Wegesrand lag, die Beine ausgestreckt, einen Arm auf der Straße liegend, den anderen angewinkelt über dem Kopf, als wolle er sein Gesicht vor der Sonne schützen.
    Der Buous ließ sich vom Pferd gleiten und lief auf den Körper zu. Einen Moment lang verharrte Fabiou reglos im Sattel, sein Mund plötzlich so trocken wie das Gras der Ebene im Hochsommer, doch als Trévigny und sein Stiefvater ebenfalls von ihren Pferden stiegen, richtete er sich auf, schwang seinen Fuß über das Hinterteil des Falben und ließ sich zu Boden gleiten, so ungelenk, als sei

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