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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Zeige-und Mittelfinger geklemmt hatte. Mergoult gelang es zwar, das Glas zwischen Daumen und Zeigefinger festzuhalten, doch die Nummer drei zwischen Mittelund Ringfinger begann unweigerlich zu kippen. Alessia kreischte auf, Cristino ebenfalls. «Verzeiht, Mesdemoiselles », murmelte Alexandre de Mergoult, sein Gesicht so rot wie die Weinflecken auf Cristinos Ärmel, während Alessias Rocksaum große, unregelmäßige Flecken in dunkellilac aufwies. «Rotweinflecken», stellte 189
    Catarino lakonisch fest. «Ehrlich schade um dein schönes Kleid, Alessia, die gehen nie wieder ‘raus.» Es war ihr unmöglich, bei diesen Worten nicht zu grinsen.
    «Du Hexe», kreischte Alessia, während sie der Tür zueilte, «ich hasse dich.»
    «Die wären wir los, ma m… ma petite », stellte Catarino zufrieden fest. Cristino kämpfte mit den Tränen, unfähig zu entscheiden, was schlimmer war: Der Schmerz in ihren Zehen oder die roten Flecken auf ihrem cremefarbenen Ärmel.
    «Il faut mettre du sel sur les taches – man muss Salz auf die Flecken tun», sagte in diesem Moment eine Stimme hinter ihnen, und als Catarino und Cristino sich umdrehten, blickten sie direkt in die hellen Augen von Sébastien de Trévigny, der lächelnd hinzufügte:
    «Une recette de ma grandmère – ein Rezept meiner Großmutter.»
    «Oh, Monsieur… Monsieur le Comte…», stammelte Cristino.
    «Das ist ja eine Überraschung, Monsieur le Comte», säuselte Catarino, ihr bestes Französisch bemühend. «Wir wussten gar nicht, dass Ihr auch eingeladen seid!»
    «Oh, ich hörte von dieser kleinen Festivität und machte der Familie Ardoche meine Aufwartung», erklärte der Comte mit seinem charmantesten Lächeln. «In ihrer übergroßen Freundlichkeit haben die Ardoches mich gleich eingeladen – zu meinem großen Glück, sonst wäre es mir schließlich nicht vergönnt gewesen, meine beiden reizenden Reisebegleiterinnen wiederzutreffen.»
    «Erzählt!», rief Catarino begeistert. «Gefällt Euch Aix?» Sie konzentrierte sich darauf, Aix zu sagen wie Trévigny. «Wie seid Ihr untergekommen?»
    «Ich wohne in einem kleinen Gasthaus in der Rue Esqui… Esquino… oh, ich kann mir diesen Namen nicht merken!»
    «Esquicho-Mousco», half Catarino. «Das heißt übersetzt Fliegenzerquetsch-Straße. Weil da immer so ein Gedränge ist, dass nicht einmal eine Fliege durchkommt, ohne zerquetscht zu werden.»
    «Furchtbar!», stöhnte Trévigny. «Ich hatte gehofft, wenigstens in Aix würde man Französisch sprechen. Na ja, ansonsten ist dies hier eine wunderschöne Stadt. Natürlich viel kleiner als Paris, Ihr müsst unbedingt einmal nach Paris kommen, es ist kein Vergleich!»
    190
    Neben ihnen räusperte sich Alexandre de Mergoult. «Cristino, wollt Ihr mir Euren Bekannten nicht vorstellen?», fragte er in vertraulichem Ton und einem überraschend guten Französisch.
    «Oh, Entschuldigung – Baron de Mergoult, das ist der Comte de Trévigny, der uns auf unserer Reise hierher begleitet hat. Comte, das ist der Baron de Mergoult, ein Nachbar von uns und enger Vertrauter des Ersten Parlamentspräsidenten von Aix.»
    «Das Parlament scheint in dieser Stadt ja eine unglaubliche Rolle zu spielen», meinte Trévigny kopfschüttelnd. «Ist das auch so eine Tradition des Südens?»
    «Tradition ist übertrieben», meinte Mergoult mit einem undurchdringbaren Lächeln. «Das Parlament gibt es erst seit ungefähr fünfzig Jahren. Seit damals hat es die oberste richterliche und gesetzgebende Gewalt in der Stadt inne – und setzt die Steuern fest, weshalb es sehr beliebt ist. Der Conseil de Ville zum Beispiel ist wesentlich älter, er existiert seit mehreren hundert Jahren!»
    «Was für eine Aufgabe hat der Conseil eigentlich?», fragte Trévigny verständnislos.
    «Oh, dem Conseil und den vier Konsuln, die aus seiner Mitte gewählt werden, untersteht die gesamte Verwaltung und Finanzwirtschaft der Stadt. Letztlich ist es der Conseil, der in Aix das Sagen hat», erklärte Mergoult.
    «Ich dachte, das hat der königliche Intendant?», meinte Trévigny.
    «Selbstverständlich.» Wieder dieses starre Lächeln. «Die oberste Gewalt liegt natürlich beim königlichen Gesandten.»
    «Was ist jetzt mit dem Salz?», erinnerte Cristino.
    «Einen Moment…» Trévigny verschwand in Richtung Buffet, um wenige Augenblicke später mit einem Salzfass aus spanischer Azulejo-Keramik zurückzukehren. Er löffelte Salz auf Cristinos Ärmel, den Mergoult fürsorglich aufspannte, dass es nicht

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