Die Kinder des Ketzers
Goult. Und Senher de Vare und Senher de Alence, die Ihr ja kennt.»
Frederi nickte den angesprochenen Herren grüßend zu, ohne dass sein Gesicht jedoch den reservierten Ausdruck verlor.
«Der Cavalié ist der Schwager unseres überaus geschätzten Senher Auban und wie er ein treuer Anhänger des wahren Glaubens», erklärte Estrave den Anwesenden. «Es freut mich sehr, Euch hier 193
begrüßen zu können. Ihr wart lange nicht in Ais.» Er winkte einen Diener herbei, dass er dem Cavalié einen Branntwein bringe. Frederi ließ sich auf den Stuhl sinken und murmelte etwas von dringenden Geschäften, die ihn so lange in Castelblanc festgehalten hätten. «Wie geht es Eurer Familie, Senher Castelblanc? Der junge Herr, der Euch vorhin begleitet hat, war das Euer Sohn? Ich wusste gar nicht, dass Ihr einen so erwachsenen Sohn habt.»
«Fabiou ist mein Stiefsohn», erklärte Frederi. «Der Sohn meiner Frau aus erster Ehe. Mein eigener Sohn ist noch ein Knabe.»
«Ach, ja, ich erinnere mich, Ihr habt mal erzählt, dass Eure Frau mehrere Kinder mit in die Ehe gebracht hat… erscheint mir ja ein höflicher und wohlerzogener Bursche zu sein, Euer Stiefsohn. Angenehm, heutzutage, wo es so viele junge Leute gänzlich an dem ihnen anstehenden Respekt fehlen lassen.»
Fabiou rutschte noch ein Stück weiter hinter den Vorhang. Er hatte keinerlei Lust, den Herrschaften demonstrieren zu müssen, was für ein höflicher und wohlerzogener Mensch er war.
«Allerdings wahr ist das!» brummelte jetzt Bossard, ein untersetzter Herr mit einem Doppelkinn und einer Halbglatze. «Neulich erzählt mir meine Schwester, ihr Sohn, ein Bengel von gerade mal neunzehn Jahren, hält es jetzt mit den Protestanten, rennt in ihre öden Schwafelgottesdienste und weigert sich, die heilige Messe zu besuchen. Ich sage Euch, wenn das meiner wäre, dem Burschen würde ich eine Abreibung verpassen, die ihm seine Flausen ein für alle Mal austreibt. Und was tut mein Schwager, der Idiot? Nichts, lässt den Bengel gewähren. Ich sage Euch, das ist überhaupt das Problem dieser Gesellschaft, dass man die jungen Leute heutzutage viel zu lasch anfasst. Aber bei mir gibt’s das nicht. Meinem Sohn habe ich gesagt, wenn ich dich einmal bei den Protestanten sehe, bist du enterbt, dass das klar ist!»
«Ich meine, ich halte ja an sich nicht viel von den Franzosen», meldete sich Estrave wieder zu Wort und warf einen Blick in die Runde, um allen Zeit zu geben, zu bestätigen, wie wenig er an sich von den Franzosen hielt, «aber so wie sich die Dinge zurzeit entwickeln, kann man nur hoffen, dass der König hierzulande mal ordentlich durchgreift und diesem protestantischen Gesocks seine 194
Frechheiten austreibt, bevor unsere schöne Heimat endgültig eine Ketzergrube geworden ist.»
«Das Weib ist schuld, die Medici», erklärte jetzt der St. Roque, ein hagerer, dunkelhaariger Herr mit einem spitzen Gesicht und einer Nase wie einem Dolch. «Dieses verfluchte Toleranzgeschwätz ist ein Fehler, ein gewaltiger. Hat die Protestanten nur noch unverschämter gemacht. Gibst du denen den kleinen Finger, dann nehmen sie die ganze Hand! Überhaupt, das Wort Toleranz in diesem Zusammenhang finde ich schlichtweg pervers. Als ob es um Modegeschmack oder Streitereien zwischen zwei Dörfern ginge, und nicht um das ewige Seelenheil. Ich meine, das muss man sich mal vergegenwärtigen, das ewige Seelenheil! Aber das kommt davon, wenn Weiber sich in die Politik einmischen. Man kann nur hoffen, dass der König mal in seinem Schlafzimmer reinen Tisch macht und dem Weib zeigt, wo sie hingehört!»
«Na, und die Béarner jetzt, das ist ja wohl das allerletzte», ergänzte der Jansoun.
«Wenn man bedenkt, dass die Navarra die Nichte ist von François, der sich ein Leben lang für den wahren Glauben abgerackert hat, dass das Weib sich nicht schämt!» polterte Bossard.
«Ich sag ja, wenn Weiber sich in die Politik einmischen…»
«Wenn man sehen will, was passiert, wenn man die Protestanten ans Ruder lässt, braucht man ja nur nach England zu sehen. Aldore, von dem wir die Seide beziehen, war früher oft geschäftlich in Irland, zur Zeit wo dieser Henri, der abtrünnige Hurensohn, noch König war. Das glaubst du nicht, wie diese englische Räuberbande mit den armen Leuten da umgegangen ist! Da wurden Priester gevierteilt, nur weil sie die Messe gelesen haben, das muss man sich mal überlegen! Ich sage Euch, noch ein paar Jahre, und in Navarra sieht’s genauso aus, und daran ist Damo
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