Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
lehnten tratschend an der Hauswand. Ein Diener empfing die Familie und geleitete sie die Treppe hinauf.
    Der Festsaal war größer als in Castelblanc, was wahrlich keine Kunst war. Die Ardoches mochten alter Adel sein, doch finanziell 183
    gesehen war so mancher Aiser Kaufmann versucht, ihnen ein Almosen zu geben. Außer dem Aiser Stadthaus war ihnen nur noch ein kleines Landhäuschen in der Gegend von Avignoun geblieben, am Rande ihres ehemaligen Besitzes, die übrige Ländereien waren längst verkauft worden, größtenteils an die Kirche, um die Schuldenberge abzutragen, die Misswirtschaft, Verschwendungssucht und eine Reihe unglücklicher kriegerischer und amouröser Abenteuer hinterlassen hatten. Entsprechend bescheiden war auch die Festivität, die die Gäste an jenem Abend erwartete; statt des üppigen Banketts, das bei vergleichbaren Angelegenheiten sonst üblich war, war an der Schmalseite des Raumes ein buffet aufgebaut, an dem zwei Diener den edlen Herrschaften servierten, und auch die Auswahl der dort aufgebauten Speisen zeigte, dass die Ardoches nicht nur an die Mägen der Eingeladenen, sondern durchaus auch an ihren Geldbeutel gedacht hatten.
    Der Baroun und die Barouno Ardoche empfingen die Gäste an der Tür, die in den Festsaal führte, ein Handkuss für die Damen von ihm, ein liebreizendes Lächeln für die Herren von ihr, und man drängte weiter, wer war schon wegen der Ardoches hier. Im Saal drängte sich bereits der Adel – der «alte» ebenso wie der «de robe», ehemalige Bürgerliche, die sich erst in dieser oder einer der vorhergehenden Generationen den Adelstitel gekauft beziehungsweise durch Heirat oder sonstige Verdienste erworben hatten. Auch einige der reicheren Bourgeois waren anwesend; vom ökonomischen Standpunkt her gab es durchaus Gründe, einen reichen bürgerlichen Schwiegersohn einem Hungerleider aus altem Adel vorzuziehen. Die Dame Castelblanc ließ einen geübten Blick über die Festgesellschaft schweifen, um sogleich entschlossen auf ihr Zielobjekt zuzuschießen – «Meine liebe Barouno d’Estranc, darf ich Euch meine beiden reizenden Töchter vorstellen? Sie sind so begierig, Euren Sohn kennenzulernen, von dem wir schon so viel gehört haben…»
    Das Interesse der Mädchen am Erben des Estranc’schen Titels war vielleicht nicht ganz so ausgeprägt, wie die Dame behauptete, zumal beiden dieser Name zum ersten Mal zu Ohren kam. Catarinos Augen suchten aufgeregt durch den mit Blumen und bunten 184
    Bändern geschmückten Raum. «Siehst du jemand, den wir kennen?», fragte sie. Cristino schüttelte den Kopf. Sie war nur halb bei der Sache. Zu dem Drücken an ihren Zehen war auf den wenigen Schritten herauf in den Festsaal ein unangenehmes Reiben an den Fersen hinzugekommen, und sie war inzwischen ausgesprochen beunruhigt.
    «Da!» Catarino, die auf den Zehenspitzen balancierte, stieß einen erfreuten Schrei aus. «Da sind die Buous!»
    In der Tat, nur wenige Schritte von ihnen entfernt stand eine Gruppe junger Männer um ein Mädchen in Catarinos und Cristinos Alter herum, ein attraktives junges Ding mit seidigem schwarzen Haar, das sich kühn um ihren schlanken Hals schwang, gekleidet in ein samtblaues Kleid mit einem Ausschnitt, der makellos weiße Haut und deutlich mehr als den Ansatz ihrer vollen Brust sehen ließ. Man musste sich nicht mit Geometrie und Optik auskennen, um festzustellen, dass die Blicke der jungen Herren nicht gerade an ihren Lippen hingen.
    Die Dame Castelblanc war zu intensiv damit beschäftigt, die Estranc zu umgarnen, als dass sie daneben noch irgendetwas hätte wahrnehmen können. Catarino packte die Gelegenheit beim Schopf und Cristino am Handgelenk und zog sie hinter sich her, auf die Gruppe zu. «So viele hübsche Jungs und nur ein Mädchen
    – das ist ja wohl eine Schande!», sagte sie kichernd. Cristino warf noch einen fragenden Blick in Richtung ihrer Mutter, dann folgte sie widerstandslos, den Schmerz in ihren Zehen ignorierend. Zwei Schritte von den jungen Herren entfernt warf Catarino sich in Positur, schürzte die Lippen, reckte den Busen heraus und rief, ungläubige Überraschung in ihrer Stimme. «Aber… das sind ja… Roubert und Artus!» Die Köpfe der beiden jungen Männer wandten sich in ihre Richtung. «Oh! Cristino! Und Catarino!», rief Roubert erfreut. «Alessia, darf ich dir unsere Nachbarinnen vorstellen? Cristino und Catarino de Bèufort.»
    Cristino warf einen schüchternen Blick in die Runde. Catarino, die etwas säuerlich

Weitere Kostenlose Bücher